Way Out
kopierte Dee Maries Sozialversicherungsnummer und fügte sie in die Dialogbox einer anderen Datenbank ein. »Achtunddreißig Jahre alt. Marginales Einkommen. Arbeitet nicht viel. Kommt nicht einmal in die Nähe eines steuerpflichtigen Einkommens. Auch ihr Ehemann war Marineinfanterist. Hauptgefreiter Vincent Peter Graziano. Er ist vor drei Jahren gestorben.«
»Im Irak gefallen?«
»Kann ich nicht feststellen.« Pauling schloss die Datenbanken, öffnete Google und tippte Dee Marie Graziano ein. Drückte die Eingabetaste. Als sie einen Blick auf die Ergebnisse warf, brachte irgendetwas sie dazu, von Google auf Lexis-Nexis überzuwechseln. Auf dem Bildschirm erschien eine ganze Seite mit Querverweisen.
»Na, seht euch das an!«, rief sie.
»Was?«, fragte Reacher.
»Sie hat die Regierung verklagt. Außen- und Verteidigungsministerium.«
»Weswegen?«
»Um Nachrichten über ihren Bruder zu bekommen.«
Pauling aktivierte die Druckerfunktion und schob Reacher Seite um Seite, wie sie aus dem Gerät kamen, hin. Er las den Ausdruck, sie den Text auf dem Bildschirm. Dee Marie Graziano hatte einen fünfjährigen Feldzug geführt, um zu erfahren, was ihrem Bruder Clay James Hobart zugestoßen war. Sie hatte eine lange und erbitterte Kampagne geführt, das stand außer Zweifel.
Begonnen hatte sie damit, dass Hobarts Arbeitgeber Edward Lane von Operational Security Consultants eidesstattlich versichert hatte, Hobart sei zum fraglichen Zeitpunkt als Subunternehmer für die Regierung der Vereinigten Staaten tätig gewesen. Also hatte Dee Marie sich mit Petitionen an ihren Abgeordneten und beide New Yorker Senatoren gewandt. Sie hatte Ferngespräche mit den Vorsitzenden der Streitkräfteausschüsse im Abgeordnetenhaus und im Senat geführt. Sie hatte an Zeitungen geschrieben und mit Journalisten gesprochen. Sie war auf einen Auftritt in der Larry King Show vorbereitet worden, der dann kurzfristig abgesagt wurde. Sie hatte für kurze Zeit einen Privatdetektiv beschäftigt. Schließlich hatte sie einen Pro-bono-Anwalt gefunden und das Verteidigungsministerium verklagt. Das Pentagon hatte behauptet, nichts über Clay James Hobarts Aktivitäten nach seinem letzten Tag in USMC-Uniform zu wissen. Dann hatte Dee Marie das Außenministerium verklagt. Irgendein untergeordneter Jurist aus dem Ministerium hatte zugesagt, Hobart werde in Zukunft als in Westafrika verschollener Tourist geführt. Also hatte Dee Marie sich wieder darauf verlegt, Journalisten zu nerven und immer wieder Auskunfts ersuche zu stellen, bei denen sie sich auf das Gesetz über Informationsfreiheit berief. Davon waren bereits über die Hälfte abgelehnt worden, und die restlichen hingen noch im Gestrüpp der Bürokratie fest.
»Sie hat sich wirklich reingehängt, nicht wahr?«, sagte Pauling. »Bildlich gesprochen hat sie jeden Tag eine Lanze für ihren Bruder gebrochen.«
»Wie Patti Joseph«, sagte Reacher. »Dies ist eine Geschichte von zwei Schwestern.«
»Das Pentagon hat nach zwölf Monaten gewusst, dass Hobart noch lebte. und auch wo er sich befand. Aber es hat vier Jahre lang geschwiegen, hat diese arme Frau leiden lassen.«
»Was hätte sie überhaupt tun können? Laden und sichern, nach Afrika fliegen und ihn eigenhändig befreien? Ihn heimbringen, damit er sich vor Gericht wegen des Mordes an Anne Lane verantworten kann?«
»Es hat nie irgendeinen Beweis gegen ihn gegeben.«
»Schon möglich, aber sie im Ungewissen zu lassen, war vermutlich die beste Politik.«
»So spricht ein wahrer Militär.«
»So wie das FBI ein Hort der Informationsfreiheit ist?«
»Sie hätte hinüberfliegen und sich persönlich mit einem Gnadengesuch an die neue Regierung in Burkina Faso wenden können.«
»So was funktioniert nur in Filmen.«
»Sie sind sehr zynisch, wissen Sie das?«
»Ich bin nicht im Geringsten zynisch. Ich denke nur realistisch, das ist alles. Scheiße passiert eben.«
Pauling schwieg nachdenklich.
»Was?«, fragte Reacher.
»Sie haben laden und sichern gesagt. Dee Marie könnte laden und sichern und nach Afrika fliegen.«
»Nein, ich habe gesagt, das könnte sie nicht.«
»Aber wir sind uns darüber einig, dass Hobart einen neuen Partner gefunden hat, richtig?«, fragte sie. »Sobald er heimgekehrt war? Einen, dem er vertrauen kann – und das auffällig rasch?«
»Anscheinend«, sagte Reacher.
»Könnte das die Schwester sein?«
Reacher schwieg.
»Das Vertrauen wäre da«, erklärte Pauling. »Stimmt’s? Automatisch? Und sie war da,
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