Way Out
einen winzigen schwarzen BH. Er hob seinerseits die Arme, und auf dem Sofa kniend zog sie ihm erst das Hemd und dann das T-Shirt, das er darunter trug, über den Kopf. Sie presste ihre Hände mit gespreizten Fingern wie kleine Seesterne auf seine breite Brust. Ließ sie nach unten zu seiner Taille wandern. Löste seinen Gürtel. Er hakte ihren BH auf. Hob sie hoch, legte sie aufs Sofa und küsste ihre Brüste. Bis die Uhr in seinem Kopf fünf nach zehn anzeigte, waren sie in ihrem Bett, nackt, ineinander verschlungen, und liebten sich mit einer Ausdauer und Zärtlichkeit, die er bisher nicht gekannt hatte.
»Ältere Frauen«, sagte sie. »Wir sind’s wert.«
Er gab keine Antwort. Lächelte nur und küsste ihren Hals unter dem Ohr, wo die Haut feucht war und leicht salzig schmeckte.
Anschließend duschten sie zusammen, tranken ihren Wein aus und gingen wieder ins Bett. Reacher war zu müde, um nachzudenken, und zu entspannt, um sich ein Gewissen daraus zu machen. Er schien zu schweben: warm, verausgabt, glücklich. Pauling kuschelte sich an ihn, und so schliefen sie ein.
Viel später spürte Reacher, dass Pauling sich bewegte, und wachte mit ihren Händen über seinen Augen auf. Sie fragte ihn flüsternd: »Wie spät ist es jetzt?«
»Achtzehn vor sieben«, antwortete er. »Morgens.«
»Du bist unglaublich.«
»Das ist kein sehr nützliches Talent. Aber ich spare mir damit vielleicht das Geld für eine neue Uhr.«
»Was ist mit der alten passiert?«
»Ich bin draufgetreten. Ich hatte sie neben das Bett gelegt und bin beim Aufstehen draufgestiegen.«
»Und davon war sie kaputt?«
»Ich hatte Schuhe an.«
»Im Bett?«
»Spart Zeit beim Anziehen.«
»Du bist unglaublich.«
»Ich mache das nicht immer. Hängt vom Bett ab.«
»Was würde es bedeuten, wenn Gregory sich in Bezug auf die Zeit geirrt hätte, sodass du recht hättest?«
Er holte tief Luft und wollte schon sagen: Weiß ich nicht, ließ es aber dann doch bleiben.
Weil er plötzlich erkannte, was das bedeuten würde.
Er ließ sich ins Kissen zurücksinken und starrte zu der noch dunklen Zimmerdecke hinauf.
»Isst du gern Schokolade?«, fragte er.
»Ich denke schon.«
»Hast du eine Stablampe?«
»In meiner Umhängetasche ist eine kleine Maglite.«
»Steck sie ein«, sagte er. »Lass die Tasche zu Hause. Und zieh wieder Jeans an. Ein Rock ist ungeeignet.«
49
Sie gingen zu Fuß, weil dies ein schöner New Yorker Morgen war und Reacher zu rastlos, um mit der U-Bahn zu fahren oder ein Taxi zu nehmen. Von der Barrow zur Bleeker Street, dann auf der Sixth Avenue nach Süden. Es war bereits warm. Sie gingen langsam, um zur rechten Zeit anzukommen. Genau um halb acht Uhr bogen sie an der Spring Street nach Osten ab. Überquerten die Sullivan Street und dann die Thompson Street.
»Wir sind zu dem verlassenen Gebäude unterwegs?«, fragte Pauling.
»Auf Umwegen«, antwortete Reacher.
Er machte vor dem Pralinengeschäft halt. Legte die Hände ans Glas und spähte hinein. Hinten in der Küche brannte Licht. Er konnte die Inhaberin sehen, die sich dort bewegte: klein, schwarzhaarig, müde, mit dem Rücken zu ihm. Sechzehnstündiger Arbeitstag, hatte sie gesagt . Regelmäßig wie ein Uhrwerk, sieben Tage in der Woche, Kleingewerbe, wir rasten niemals.
Als er laut ans Glas klopfte, blieb die Frau stehen und sah sich irritiert um, bis sie ihn erkannte. Dann zuckte sie mit den Schultern, fügte sich ins Unvermeidliche und kam durch den Laden zur Tür. Sperrte alle Schlösser auf, öffnete die Tür einen Spalt breit und sagte: »Hallo.«
Das Aroma von Bitterschokolade umwehte sie.
Er fragte: »Können wir noch mal nach hinten durchgehen?«
»Wen haben Sie diesmal mitgebracht?«
Pauling trat vor und nannte ihren Namen.
Die Inhaberin fragte: »Sind Sie wirklich Kammerjäger?«
»Ermittler«, sagte Pauling. Sie hielt eine Geschäftskarte bereit.
»In welcher Sache ermitteln Sie?«
»Eine Frau ist verschwunden«, erklärte Reacher. »Mitsamt ihrem Kind.«
Kurzes Schweigen.
Dann fragte die Inhaberin: »Sie glauben, dass sie nebenan sind?«
»Nein«, entgegnete Reacher. »Nebenan ist niemand.«
»Das ist gut.«
»Dies ist nur eine Routinesache.«
»Möchten Sie eine Praline?«
»Nicht als Frühstück«, sagte Reacher.
»Danke, sehr gern«, sagte Pauling.
Die Frau hielt die Ladentür weit auf, und Pauling und Reacher traten ein. Pauling ließ sich einen Augenblick Zeit, um eine Praline auszuwählen. Sie entschied sich für ein
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