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Waylander der Graue

Waylander der Graue

Titel: Waylander der Graue Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Gemmell
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zu Boden und nahm beide Bolzen heraus, dann lief sie zu Ustarte. »Bist du verletzt?«, fragte sie.
    »Nur meine Seele«, antwortete Ustarte traurig. »Hab keine Angst, Keeva. Das Blut ist nicht von mir.«
    Ustarte hielt sich auf der windabgewandten Seite des Wallachs und ging tiefer in den Wald, dem Plätschern von fließendem Wasser folgend. Keeva blieb bei ihr und sah, dass Ustarte Tränen übers Gesicht liefen. Als sie den Bach erreichten, kauerte die Priesterin nieder und ließ ihren verkrümmten Körper in das Wasser gleiten. Nachdem sie das Blut abgewaschen hatte, stieg sie wieder ans Ufer. Sie starrte auf ihre deformierten Hände und begann zu weinen. Keeva saß neben ihr, ohne ein Wort zu sagen.
    »Ich wollte«, sagte Ustarte schließlich, »diese Welt frei von dem Bösen Kuan Hadors halten. Jetzt habe ich ihr neues Böses zugefügt. Meine Leute sind tot, und ich habe getötet.«
    »Sie haben uns verfolgt«, sagte Keeva.
    »Sie gehorchten den Befehlen ihres Herrn. Wie schön wäre es, wenn ich glauben könnte, dass die, die unter meinen Tatzen starben, böse Männer waren. Aber ich fühlte ihre Gedanken, als ich sie ansprang. Es waren Ehemänner dabei, die an ihre Frauen und Kinder dachten, die sie nie wieder sehen würden. Das ist die Natur des Bösen, Keeva. Es verdirbt uns alle. Wir können es nicht bekämpfen und davon unberührt bleiben.«
    Keeva ging zu ihrem Pferd zurück und holte Ustartes rotes Seidengewand. Sie half der Priesterin beim Anziehen. »Wir müssen zu der Höhle«, sagte Keeva. Sie führte den Wallach am Zügel, während Ustarte mit zehn Schritten Abstand folgte. So gingen sie durch den Wald, immer Ausschau nach den Zeichen haltend, die der Graue Mann hinterlassen hatte.
    Sie wanderten knapp eine Stunde, dann erreichten sie die Felswand und fanden den Spalt, genau wie der Graue Mann es beschrieben hatte. Drinnen befand sich eine geräumige Kammer, in der eine Reihe von Kisten aufgestapelt war. Zwei Laternen lagen auf den Kisten. Sie wurden noch nicht gebraucht, denn durch einen Spalt in der Decke fiel Tageslicht.
    Keeva nahm dem Wallach den Sattel ab und striegelte ihn. Dann fütterte sie ihn mit dem Getreide, das Emrin ihnen mitgegeben hatte. Im hinteren Teil der Höhle rann Wasser aus der Wand und bildete einen kleinen Teich, ehe es durch eine Ritze im Boden abfloss. Als der Wallach mit dem Getreide fertig war, band sie ihn dicht bei dem Teich an, sodass er trinken konnte, wenn er wollte.
    Ustarte hatte sich auf dem Boden ausgestreckt und schlief.
    Keeva ging hinaus in die Morgensonne. Der Pfad, der zur Höhle führte, bestand aus felsigem Geröll, auf dem keine Spuren zu erkennen waren. Sie setzte sich mit dem Rücken gegen die Felswand und beobachtete, wie die Zweige einiger Eichen in der Nähe sich im Wind bewegten. Ein paar Waldtauben flogen mit lautem Flügelschlag vorbei. Sie sah auf und lächelte und spürte, wie ein Teil der Anspannung von ihr abfiel.
    Ein Bussard stieß vom Himmel herab, seine langen Krallen zerrissen eine der Tauben. Mit angelegten Flügeln fiel sie zu Boden. Der Bussard landete neben dem noch zuckenden Vogelkörper. Die Krallen packten ihn, der gekrümmte Schnabel stieß in das warme Fleisch.
    Erschöpfung überflutete Keeva, und sie lehnte sich zurück und schloss die Augen. Sie döste eine Weile im Sonnenschein und träumte von ihrem Onkel. Sie war wieder neun Jahre alt, und die Einwohner der Stadt hatten die alte Hexe zu einem Scheiterhaufen auf dem Marktplatz geschleppt. Keeva war aus gewesen, um Äpfel zu kaufen, aus denen ihr Onkel einen Kuchen backen wollte. Sie hatte zugesehen, wie die Menge die Hexe anpöbelte, wie die Menschen sie anspuckten und mit Stöcken nach ihr schlugen. Im Gesicht der Frau war Blut zu sehen.
    Sie hatten sie auf den Scheiterhaufen gezerrt, sie festgebunden und dann Bündel aus trockenem Kleinholz um sie aufgeschichtet. Nachdem sie sie mit Öl begossen hatten, zündeten sie den Scheiterhaufen an. Ihre Schreie waren entsetzlich gewesen.
    Keeva hatte ihre Apfel fallen gelassen und war den ganzen Weg nach Hause gerannt. Ihr Onkel hatte sie in den Arm genommen und ihr übers Haar gestrichen. »Sie war eine böse Frau«, hatte er gesagt. »Sie hat ihre ganze Familie vergiftet, um an das Erbe zu kommen.«
    »Aber sie haben gelacht, als sie brannte.«
    »Das kann ich mir vorstellen. Das ist die Natur des Bösen, Keeva. Es vermehrt sich. Es wird in jedem Gedanken voll Hass geboren, und indem sie sie hassten, saugten sie einen Hauch

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