Waylander der Graue
damit?«
»Nichts von Wert«, antwortete er. »Meistens läuft es auf Sterblichkeit und die Angst vor dem Tod hinaus.«
»Die Angst vor dem Tod lässt sie einander umbringen? Das geht über meinen Verstand.«
»Nicht die Soldaten, Keeva, die Anführer, die Männer, die die Macht haben. Für je mächtiger sie sich selbst halten, desto göttergleicher werden sie in ihren eigenen Augen. Ruhm wird dann zu einer Art Unsterblichkeit. Der Anführer kann nicht sterben. Sein Name wird die Jahrhunderte überdauern. Das ist alles Unsinn. Sie sterben so oder so und werden zu Staub.«
»Du bist wirklich müde«, sagte sie, als sie die erschöpfte Verachtung in seinen Worten hörte. »Warum ruhst du dich nicht etwas aus?«
Ustarte erwachte und rief ihnen etwas zu. Waylander ging zu ihr, Keeva folgte ihm. »Wie geht es dir?«, fragte Waylander.
»Ich fühle mich kräftiger«, antwortete sie mit einem Lächeln, »und das liegt nicht nur am Schlaf. Yu Yu Liang hat die Männer aus Ton gefunden.«
»Und?«
»Die Riaj-nor sind zurückgekehrt. Sie marschieren bereits zum Tor. Dreihundert an der Zahl. Wenn sie dort ankommen, wird die Macht ihrer Schwerter es für ein weiteres Jahrtausend verschließen.« Ihr Lächeln schwand. »Aber es wird knapp. Der Ipsissimus richtet seit Tagen einen Auflösungszauber gegen das Tor. Wenn er Erfolg hat und der Torzauber gebrochen wird, kann keine Macht der Welt ihn wieder zurückbringen.«
»Du besitzt doch Magie«, sagte Emrin, der gerade hinzutrat. »Kannst du nicht … kannst du keinen eigenen Zauber gegen den Magier richten?«
»Ich verfüge nur über wenige Zauber, Emrin. Ich habe die Gabe des zweiten Gesichts, und ich konnte mich einst frei zwischen den Welten bewegen. Diese Macht ist beinahe erschöpft. Ich weiß nicht, warum. Ich glaube, es war ein Teil der Verschmelzungsmagie, die mich erschuf, und diese Magie verblasst. Aber, nein, ich kann nicht gegen den Ipsissimus kämpfen. Wir müssen einfach hoffen, dass die Riaj-nor uns retten.«
Sie erhob sich schwerfällig und nahm Waylander am Arm. »Komm, geh ein Stück mit mir.«
Sie entfernten sich von den anderen. Hinter ihnen entzündete Keeva ein kleines Feuer, und sie und Emrin hockten sich leise daneben und bereiteten die Hasen zu. Niallad stand auf und ging in den Wald.
»Sie haben Matze Chai gefoltert«, berichtete Ustarte Waylander. »Ich sah nur Bruchstücke davon. Er war ungewöhnlich tapfer.«
»Bruchstücke?«
»Den Magier und seinen loa-chai umgibt ein Verhüllungszauber. Ich kann die Ereignisse um sie herum nicht sehen. Aber ich konzentrierte mich auf die Gedanken Matze Chais.«
»Er lebt noch?«, fragte Waylander leise.
»Ja, er lebt. Und da ist noch etwas. Der Ipsissimus heilte Matze Chai anschließend und brachte ihn vom Rand des Todes zurück.«
»Damit sein Meister ihn erneut foltern kann?«
»Ich glaube nicht. Es war, als ob der Verhüllungszauber sich für einen Augenblick teilte und ich einen Schimmer seiner Gedanken sah – mehr ein Echo seiner Gefühle. Er war traurig und angeekelt von der Folter. Dass er Matze Chai heilte, war ein winziges Aufbegehren. Es ist rätselhaft. Ich fühle, dass es etwas gibt, das wir übersehen haben. Etwas Entscheidendes. Es nagt in meinem Unterbewussten.«
»Ich empfinde dasselbe«, sagte Waylander. »Es beunruhigt mich schon seit dem Kampf mit den Dämonen. Ich sah, wie der Magier zerfleischt wurde. Doch kurz vorher sah ich ihn taumeln. Sein Zauber wirkte, und der Nebel wich zurück. Dann schien er alle Zuversicht zu verlieren. Seine Stimme brach. Der Nebel überwallte ihn. Ich sah, wie ihm der Arm vom Leib gerissen wurde. Und doch, nur wenige Augenblicke später dröhnte seine Stimme wieder, und er besiegte die Dämonen.«
»Ein Ipsissimus hat große Macht«, sagte Ustarte.
»Aber warum hat er sie dann für kurze Zeit verloren? Und warum hatte er seinen loa-chai nicht bei sich? Das entspricht doch nicht dem, was du mir über einen Magier und seinen loa-chai erzählt hast. Der Junge soll doch so etwas wie Eldicars Schutzschild sein.«
»Der Junge war zu dem Zeitpunkt bei Keeva und Yu Yu«, sagte Ustarte. »Als die Dämonen ihn angriffen, spürte Eldicar vielleicht die Gefahr. Und hat deshalb die Konzentration verloren.«
»Es ergibt trotzdem keinen Sinn«, beharrte Waylander. »Er lässt seinen Schutzschild zurück, und wenn dieser Schild in Gefahr ist, wird er zerfleischt? Nein. Wenn der loa-chai gegen die Dämonen ausgeschickt worden wäre, und sein Meister wäre
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