Waylander der Graue
geheimnisvollen Magie der Verschmelzung besessen. Er hatte durch Ustarte erkannt, dass die Möglichkeiten weit über das rein Physische hinausgingen. Das richtige Gleichgewicht konnte die Fähigkeiten des Geistes verbessern. Bereits praktisch unsterblich, verlangte es Deresh nach mehr. Er führte immer grausamere Experimente an seinen unglücklichen Gefangenen durch, auf der Suche nach dem Schlüssel, der die Geheimnisse der Verschmelzung ans Licht bringen würde.
Ustarte war seine Leidenschaft geworden. Sie schauderte bei der Erinnerung. Er hatte endlos an ihr gearbeitet, hatte versucht, die Quelle zu finden, die ihr die Fähigkeit verlieh, ihre Gestalt zu ändern. Eines Tages hatte er sie auf einen Tisch gebunden. Scharfe Messer öffneten ihr Fleisch, und Deresh nahm eine ihrer Nieren heraus und ersetzte sie durch ein verzaubertes Organ, das er einem misslungenen Verschmelzungsversuch entnommen hatte. Der Schmerz war unbeschreiblich, und nur Ustartes große Kraft bewahrte sie vor dem Wahnsinn. Als sie in ihrer Zelle lag und sich erholte, fühlte sie, wie das Organ sich in ihr regte wie ein lebendes Wesen. Tentakel schoben sich heraus und tasteten sich entlang der Muskeln ihres Rückens in ihre Lunge.
Ustarte wurde von entsetzlichen Krämpfen geschüttelt. Ihr Leben wurde ihr ausgesaugt, und in ihrer Panik wechselte sie ihre Gestalt. Das Wesen in ihr wurde zermalmt, doch ein kleines Stück Tentakel brach ab und floh in Ustartes Schädel und kauerte sich an ihrem Hirn zusammen. Dort starb es. Gift sickerte aus ihm, heiß und brennend. Tiger-Ustarte brüllte wütend, hieb ihre großen Tatzen gegen die Wände ihrer Zelle und riss große Stücke aus dem Verputz. Dann tat Ustarte, was sie mit dem ersten Gift getan hatte, das man ihr verabreichte, sie absorbierte es, brach es auf und machte es harmlos. Es konnte sie nicht mehr töten, aber es veränderte sie.
Als Ustarte erwachte, wieder in ihrer eigenen Gestalt, fühlte sie sich anders. Ich war leicht schwindlig und übel. Sie setzte sich auf den Boden zwischen die Trümmer der Möbel, die ihr Tiger-Selbst in Stücke gefetzt hatte. Plötzlich öffnete sich ihr Geist, und sie hörte die Gedanken jedes Menschen und jedes Geschöpfes im Gefängnis. Gleichzeitig. Der Schock ließ sie schreien, doch sie hörte es nicht. Ihr Kopf war bis zum Bersten voll. Sie widerstand der Panik und versuchte sich zu konzentrieren, schuf einzelne Kammern in ihrem Geist, die sie vor dem tumultartigen Dröhnen verschloss. Die stärksten Gedanken ließen sich jedoch nicht ausblenden, denn sie waren aus Todesqualen geboren.
Und sie kamen von Prial. Zwei von Deresh Karanys Assistenten führten an ihm Experimente durch.
Zorn durchflutete Ustarte, und eine pulsierende, vulkanische Wut begann sich in ihr aufzubauen. Sie erhob sich, konzentrierte sich auf die Männer und tastete nach ihnen. Die Luft um sie herum schien zu beben und sich zu teilen. Den Bruchteil einer Sekunde später fand sie sich neben den Folterern in einem der Verschmelzungsräume auf der anderen Seite des Gefängnisses wieder. Ustartes Krallen zerrissen dem ersten Mann die Kehle. Der zweite versuchte zu entkommen, doch sie sprang ihm auf den Rücken und warf ihn zu Boden. Er schlug mit dem Kopf auf dem Boden auf, sein Schädel brach.
Ustarte befreite Prial.
»Wie hast du …?«, wisperte Prial. »Du bist … aus der Luft erschienen.« Auf seinem Pelz war Blut, und mehrere Geräte staken noch in seinem Fleisch. Behutsam löste Ustarte sie.
»Wir gehen jetzt«, sagte Ustarte.
»Die Zeit ist gekommen?«
»Sie ist gekommen.«
Sie schloss die Augen und pulsierte eine Botschaft an alle Bastardgeschöpfe im Gefängnis. Dann verschwand sie.
Die Wohnung von Deresh Karany war leer; sie erinnerte sich daran, dass er in die Stadt gegangen war, um sich mit dem Rat der Sieben zu treffen. Deresh hatte Pläne, ein Tor zwischen den Welten zu öffnen, um wieder in ein altes Reich einzudringen, das ihn vor vielen Jahren besiegt hatte.
Von draußen hörten sie zersplitterndes Holz und schreiende Männer. Ustarte ging zum Fenster und sah die Bastarde über das Übungsgelände schwärmen. Wachmänner flohen voller Entsetzen. Sie kamen nicht weit.
Eine Stunde später führte Ustarte die einhundertsiebzig Gefangenen hinaus aufs Land, hoch in die bewaldeten Berge.
»Sie werden uns jagen«, sagte Prial. »Wir können nirgends hin.«
Seine Worte erwiesen sich in wenigen Tagen als wahr, als Kriaz-nor-Truppen und Jagdhunde begannen, den Wald zu
Weitere Kostenlose Bücher