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Waylander der Graue

Waylander der Graue

Titel: Waylander der Graue Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Gemmell
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eine halbe Länge geschlagen.
    Die Erinnerung war noch immer bitter und wurde nur durch den Gedanken an Rualls Tod etwas gelindert: der Ausdruck der Überraschung, als das schwarze Schwert ihn durchbohrte, und die Zeichen schrecklicher Todesqualen, als er sein Leben aushauchte.
    Aric dachte an die Nacht, in der Eldicar Manushan an seiner Tür erschienen war, den schönen Knaben an seiner Seite. Es war schon beinahe Mitternacht. Aric war leicht angetrunken gewesen, sein Kopf dröhnte. Er hatte den Diener beschimpft, der die Besucher ankündigte, seinen Becher auf den Mann geschleudert und ihn um einen Meter verfehlt. Der Magier mit dem schwarzen Bart war in das lang gestreckte Zimmer geschlendert, hatte sich verbeugt und war dann auf den Adligen mit den blutunterlaufenen Augen zugetreten. »Ich sehe, dass du leidest, Graf«, hatte er gesagt. »Lass mich die Kopfschmerzen beseitigen.« Er streckte die Hand aus und berührte Aric an der Stirn. Es war, als ob eine kühlende Brise durch Arics Kopf wehte. Er fühlte sich großartig, besser als seit Jahren.
    Der Junge war auf einem Sofa eingeschlafen, und er und Eldicar hatten sich bis tief in die Nacht unterhalten.
    Der Morgen dämmerte schon, als der Magier zum ersten Mal Unsterblichkeit erwähnte. Aric war skeptisch. Wer wäre das nicht? Eldicar beugte sich vor und fragte ihn, ob er einen Beweis wolle.
    »Wenn du einen bringen kannst, natürlich.«
    »Der Diener, den du mit deinem Becher beworfen hast, ist er dir teuer?«
    »Warum fragst du?«
    »Würde es dich betrüben, wenn er stürbe?«
    »Sterben? Warum sollte er sterben?«
    »Er ist kein junger Mann mehr. Er wird sterben, wenn ich ihm das stehle, was von seinem Leben noch bleibt, um es dir zu geben«, erklärte Eldicar.
    »Du machst Witze.«
    »Keineswegs, Graf Aric. Ich kann dich in wenigen Minuten jung und stark machen. Aber die Lebenskraft, die ich dir verleihe, muss irgendwoher kommen.«
    Im Rückblick konnte Aric sich nicht erinnern, warum er gezögert hatte. Welchen Unterschied machte schon der Tod eines Dieners für die Welt? Und doch, erinnerte er sich, hatte er überlegt, ob der Mann wohl Familie hatte. Verblüffend. Als der Morgen graute, ging Eldicar zu einem Schrank und nahm einen kleinen, kunstvoll gehämmerten Spiegel heraus. Er ging zu Aric und hielt ihm den Spiegel vors Gesicht. »Sieh dich an. Sieh dich genau an.« Aric sah das schlaffe Gesicht, die Ringe unter den Augen, alle Spuren des Alters und eines Lebens voller Ausschweifungen. »Und jetzt sieh dir an, wie es sein könnte«, sagte Eldicar leise. Das Bild im Spiegel flimmerte und veränderte sich. Aric seufzte mit ehrlichem Bedauern, als er den Mann betrachtete, der er einst gewesen war, sein gut aussehendes Raubvogelgesicht mit den klaren Augen. »Ist dir der Diener wichtig?«, wisperte Eldicar.
    »Nein.« Eine Stunde später waren die Jugend und Spannkraft, die man ihm versprochen hatte, Wirklichkeit geworden. Der Diener starb in seinem Bett.
    »Er hatte nicht mehr viel Leben übrig«, sagte Eldicar. »Wir müssen bald jemand anderen finden.«
    Aric war zu begeistert, um sich um diese Dinge zu scheren.
    Die Kutsche holperte weiter und bog am Kaufmannsplatz rechts ab. Aric sah das Schild der Taverne »Zu den Sternen«, ein leuchtend bunt gemaltes Schild, das einen von Sternen umringten Frauenkopf zeigte. Er erinnerte sich an seine erste Begegnung mit Rena hier. Sie hatte ihm sein Essen serviert und hübsch geknickst. Keine kluge Frau, dachte er, aber sie war warm im Bett gewesen, und sie hatte ihn geliebt. Er hatte sie als Haushälterin seines komfortablen Landhauses eingestellt, das außerhalb von Carlis lag, am Ufer des Weidensees.
    Sie hatte ihm eine Tochter geschenkt, ein entzückendes Kind mit Lockenkopf und bezauberndem Lächeln. Sie saß gern auf Arics Schoß und wollte Geschichten von goldenen Zeiten, von Feen und Magie hören.
    Die Kutsche wurde langsamer, als es bergauf ging. Der Kutscher ließ die Peitsche knallen, und die beiden Pferde legten sich ins Geschirr. Aric lehnte sich zurück in den tiefen, mit Rosshaar gepolsterten Sitz.
    Rena hatte an jenem letzten Tag über irgendetwas geweint. Aric konnte sich nicht daran erinnern, worüber. Sie hatte in den letzten Monaten überhaupt viel geweint. Frauen, dachte Aric, konnten so selbstsüchtig sein. Sie hätte doch begreifen müssen, dass er mit seiner erneuerten Jugend und Spannkraft andere Ventile brauchte. Die mollige, fügsame Rena war für den müden Mann in mittlerem Alter,

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