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Waylander der Graue

Waylander der Graue

Titel: Waylander der Graue Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Gemmell
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Keeva fuhr herum und sah eine junge Frau mit geflochtenem blondem Haar. Sie trug einen Stapel ordentlich gefalteter Kleidungsstücke auf dem Arm. Die Frau grinste sie an. »Sonst sehen die Priester dich noch, und was würde dann mit ihren Gelübden passieren?«
    »Priester?«, fragte Keeva, trat ins Zimmer und nahm der Frau die Kleider ab.
    »Fremde aus Kiatze. Sie studieren die alten Bücher, die der Gentleman in der Bibliothek im Nordturm aufbewahrt.«
    Keeva nahm eine weiße Baumwollbluse von dem Stapel, schüttelte sie aus und schlüpfte hinein. Der Stoff war sehr weich, wie Sommerwind auf der Haut. Sie erschauerte vor Behagen, dann stieg sie in den langen grauen Rock. Er hatte einen Gürtel aus versilbertem Leder mit einer silbernen Schnalle.
    »Gehören die Sachen mir?«, fragte sie.
    »Ja.«
    »Sie sind herrlich.« Keeva berührte den gestickten Baum auf der rechten Schulter ihrer Bluse. »Wofür steht das?«, fragte sie.
    »Das ist das Zeichen des Gentleman.«
    »Des Grauen Mannes?«
    »In der Öffentlichkeit nennen wir ihn Gentleman, denn er ist kein Adliger und viel zu mächtig für einen Gutsbesitzer oder Kaufmann. Omri sagt, du kamst letzte Nacht mit ihm an. Warst du mit ihm im Bett?«
    Keeva war schockiert. »Nein. Und es ist sehr unschicklich, eine solche Frage zu stellen.«
    Die blonde Frau lachte. »Hier ist das Leben ganz anders, Keeva. Wir sprechen und denken frei, außer vor den Gästen des Gentleman. Er ist ein sehr ungewöhnlicher Mann. Keiner von uns wird geschlagen, und er benutzt die jungen Frauen nicht als seine persönlichen Sklaven.«
    »Dann wird es mir hier vielleicht gefallen«, sagte Keeva. »Wie heißt du?«
    »Ich bin Norda, und du wirst mit meiner Gruppe im Nordturm arbeiten. Hast du Hunger?«
    »Ja.«
    »Dann lass uns frühstücken gehen. Du hast heute viel zu lernen. Der Palast ist wie ein Kaninchenbau, und die meisten neuen Dienstboten verirren sich erst einmal.«
    Ein paar Minuten später, nach einem für Keeva verwirrenden Gang durch endlose Korridore und mehrere Treppen, kamen die beiden Frauen auf eine große gepflasterte Terrasse. Ein langer Frühstückstisch war mit zahlreichen tiefen Schüsseln beladen, die gekochtes Fleisch, Gemüse, geräucherten Fisch, Käse und Obst enthielten. An einem Ende lag frisch gebackenes Brot, am anderen Ende standen Krüge mit Wasser und Fruchtsaft. Keeva folgte Nordas Beispiel, nahm sich einen Teller und belud ihn mit Brot, einem Stück Butter und Räucherfisch. Dann gingen sie zu einem Tisch und ließen sich nieder, um zu essen.
    »Warum hast du gefragt, ob ich mit dem Grauen Mann geschlafen habe?«
    »Dem Gentleman!«, korrigierte Norda.
    »Ja, dem Gentleman.«
    »Hier besteht eine große Harmonie unter den Dienerinnen. Der Herr hat keine Favoriten und Omri auch nicht. Hätte der Herr dich in sein Bett geholt, hätte das Unfrieden gestiftet. Viele der jungen Frauen würden ihm gern … den Kopf verdrehen.«
    »Er ist ein ausgesprochen attraktiver Mann, aber er ist schon sehr alt«, meinte Keeva.
    Wieder lachte Norda. »Das Alter hat wenig damit zu tun«, sagte sie. »Er sieht gut aus, ist stark – und unermesslich reich. Die Frau, die sein Herz gewinnt, würde niemals irgendetwas entbehren - selbst wenn sie zehn Leben zu leben hätte.«
    »Wenn das stimmt, ist es erstaunlich, dass er keine Frau genommen hat«, stellte Keeva fest.
    »Oh, er hat viele genommen.« Norda beugte sich vor und senkte die Stimme. »Goldfrauen.«
    »Er bezahlt für sein Vergnügen?«, fragte Keeva verblüfft.
    »Immer. Ist das nicht seltsam? Die meisten Mädchen hier würden auf den kleinsten Wink von ihm in sein Zimmer rennen. Doch er schickt eine Kutsche, die Huren aus der Stadt herbringt. Oh, schick gekleidet und mit Schmuck behängt, aber trotzdem Huren. Im letzten Jahr war seine Favoritin Lalitia, eine rothaarige Schlampe aus der Hauptstadt.« Nordas Gesicht war gerötet, und Keeva sah, wie ihre blauen Augen kalt wurden.
    »Offenbar magst du sie nicht.«
    »Niemand mag Lalitia. Sie fährt in einer goldenen Kutsche mit livrierten Dienern herum, die sie abscheulich behandelt. In ihrem Haus soll sie die Mädchen je nach Laune verprügeln. Sie ist ein gemeines Luder.«
    »Was sieht er dann in ihr?«, fragte Keeva.
    Norda lachte laut auf. »Oh, das wirst du erkennen, wenn du sie zum ersten Mal siehst. Obwohl ich sie verabscheue, muss ich zugeben, dass sie außergewöhnlich schön ist.«
    »Ich hätte gedacht, er wäre ein besserer Menschenkenner«, meinte

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