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Waylander der Graue

Waylander der Graue

Titel: Waylander der Graue Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Gemmell
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gesehen?«
    »Er ist von einem Verhüllungszauber umgeben. Ich kann ihn nicht sehen, aber ich kann seine Machtspüren. Er ist uns nahe.«
    »Dann müssen wir fliehen, solange wir noch Gelegenheit haben.«
    »Er weiß noch nicht, dass wir hier sind, Prial. Ich habe auch noch etwas Macht in mir. Ich weiß auch, wie ich unsere Gegenwart verbergen kann.«
    Er trat vor, nahm ihre behandschuhte Hand in die seine und hob sie an die Lippen. »Das weiß ich, Ustarte. Aber du kannst nicht gegen einen Ipsissimus bestehen. Wenn er uns noch nicht gefunden hat, dann nur, weil er noch nicht nach uns sucht. Sobald er es tut, wird er uns töten.« Prial begann zu zittern, und sie fühlte, wie seine behandschuhten Finger sich fest um ihre Hand schlossen.
    Sie betrachtete ihn genau und sah, wie er einen tiefen, schaudernden Atemzug tat. »Ich bin ganz ruhig«, sagte er. »Wirklich.« Dann zog er sich zurück, verlegen, weil er Schwäche gezeigt hatte. »Diese Kleider scheuern mich wund«, klagte er. Er öffnete sein Gewand und schob es von seinen Schultern. Ustarte stellte sich hinter ihn und kratzte ihm das graue Fell auf Rücken und Schultern.
    Seine gelbbraunen Augen schlossen sich, und er stöhnte vor Behagen, seine Angst verebbte.
    Aber sie würde wiederkommen, wie sie wusste.
     
    Keeva war angespannt und mehr als nur ein wenig ärgerlich, als sie die ungewöhnlichen Gebäude erreichte, die der Graue Mann bewohnte. Sie hatte sich, trotz Nordas Anweisungen, zweimal in dem Labyrinth von Gängen und Treppen verlaufen und war in einem tiefer gelegenen Stockwerk gelandet, nur um festzustellen, dass das Gebäude, das sie suchte, einen Stock höher und rechts von ihr lag. Sie erklomm eine Treppe, die durch einen Steingarten führte, und kam endlich zum Eingang. Sie blieb einen Augenblick stehen, überrascht von dem, was sie vor sich sah. Das Wohnhaus des Grauen Manns war in die Kippe gebaut, die steinerne Fassade nur roh behauen, sodass sie mit dem natürlichen Fels ringsum verschmolz. Das machte es von der Meerseite her praktisch unsichtbar. Es wirkte kahl und reizlos, keineswegs wie das Heim eines reichen Mannes.
    Ihre Unruhe wuchs. Keeva hatte dem Grauen Mann gesagt sie würde nicht seine Geliebte werden, aber jetzt hatte er sie nach nur einem Tag in seine Wohnung gerufen. Keevas Zorn verflog, und sie war plötzlich traurig. Ein Weilchen hatte sie sich heute erlaubt zu glauben, sie könnte hier glücklich sein. Sie mochte Norda, und die anderen Mädchen ihrer Gruppe waren freundlich gewesen. Sie alle sprachen gut über den alten Omri, und die Stimmung war gelöst gewesen. Ach was, dachte sie, am besten bringe ich es hinter mich. Sie klopfte an die Tür.
    Der Graue Mann öffnete. Er war genauso gekleidet wie damals, als sie ihn zuerst gesehen hatte, in dunkle Hosen über Reitstiefeln und ein Hemd aus dünnem, geschmeidigem Leder. Er trug weder Ringe noch Goldketten, und seine Kleider waren weder mit Broschen noch Stickereien geschmückt. Er winkte sie hinein. »Komm mit«, sagte er, drehte sich um und schlenderte in den Wohnbereich. Es war ein rechteckiger Raum, in dem nur zwei mit Tierhäuten bespannte Sessel auf einem alten Teppich standen. Es gab weder Regale noch Schränke, und die Feuerstelle war völlig schmucklos. Ein Stapel Feuerholz war daneben aufgeschichtet, an dem ein eiserner Schürhaken lehnte. Der Graue ging durch das Zimmer und durch eine Tür an der Rückseite wieder hinaus. Keeva folgte ihm, in Erwartung, ein Schlafzimmer zu betreten. Wieder begann ihr Zorn zu schwelen.
    Sie ging durch die Tür und blieb überrascht stehen. Es war kein Schlafzimmer. Die lange Wand zur Linken war mit Pinienholz vertäfelt, auf dem zahlreiche Waffen hingen: Langbögen, Armbrüste, Wurfpfeile aus Kiatze, Schwerter und Messer jeder nur vorstellbaren Art, einige klein, andere lang und zweischneidig. An der rechten Wand hingen sechs Laternen, deren Licht flackernde Schatten über eine Sammlung von hölzernen Gestellen und merkwürdigen Gerätschaften warfen. Zielscheiben waren aufgestellt, manche rund, manche aus Stroh, Seilen und alten Kleidern einer menschlichen Gestalt nachempfunden.
    Der Graue Mann ging zu einem Tisch, von dem er eine Armbrust nahm. Er lud sie mit zwei Bolzen und brachte sie zu Keeva. Dann deutete er auf die runde Zielscheibe, die knapp sieben Meter entfernt war. »Schieße zwei Bolzen in die Mitte«, forderte er sie auf.
    Keeva hob den Arm, ihre Hand schmiegte sich in den glattpolierten Griff, die Finger auf den

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