Waylander der Graue
kehrt und ging zurück durch die Menge. Waylander sah Keeva dicht am Waldrand sitzen. Der Pagenjunge war eingeschlafen, sein blonder Schopf lehnte an ihrer Schulter.
Kurz darauf führte Emrin den Kiatze-Hauptmann zu Waylander. Der Mann verbeugte sich tief vor Waylander und Kysumu.
»Erzähl mir von dem Angriff«, bat Waylander.
Der Mann warf einen Blick auf Kysumu und sagte rasch etwas auf Kiatze. Der Rajnee wandte sich an Waylander. »Der Hauptmann bedauert, dass er die Sprache von Kydor nicht ausreichend beherrscht, um das Ereignis in allen Einzelheiten zu beschreiben. Er lässt fragen, ob du gestattest, dass ich für ihn übersetze.«
»Du kannst es mir auch in deiner eigenen Sprache erzählen«, sagte Waylander in ausgezeichnetem Kiatze. Der Hauptmann verbeugte sich noch tiefer.
»Ich bin Liu, edler Herr. Es ist eine Ehre für mich, Hauptmann von Matze Chais Truppen zu sein. Es ist sehr beschämend für mich, dass ich meinen Herrn in Zeiten der Gefahr nicht erreichten konnte. Ich schlief, edler Herr, als mich ein Schrei weckte. Ich stand auf, zog mich an und öffnete die Tür, um die Ursache des Schreis zu suchen. Zuerst konnte ich nichts sehen, doch ich spürte sofort die Kälte. Ich wusste, was es war, Herr, denn es hatte auch unser Lager angegriffen. Ich schnallte meinen Brustharnisch um, nahm mein Schwert und versuchte, zu den Räumlichkeiten meines Herrn zu gelangen. Doch der Nebel war bereits da und füllte den Korridor. Er kam auf mich zu, und ich lief davon, edler Herr. Ich hörte andere Türen hinter mir aufgehen, und ich hörte …« Er schwieg einen Moment. »Ich hörte, wie Menschen getötet wurden«, sagte er. »Ich schaute mich nicht um. Ich hätte sie nicht retten können.«
Waylander dankte dem Mann, dann nahm er die Armbrust vom Gürtel und lud sie mit zwei Bolzen. Ohne ein weiteres Wort ging er auf die Doppeltüren zu. Emrin fluchte leise, dann folgte er ihm mit gezogenem Schwert. Waylander blieb in der Tür stehen und sah sich zu Emrin um. »Folge mir nicht. Du wirst hier gebraucht«, sagte er. »Schick zehn Wagen in die alten Ruinen und sorge dafür, dass reichlich Verbandsmaterial und frisches Wasser bereitsteht. Die Männer des Herzogs haben ebenfalls Verluste gegen die Dämonen erlitten.«
Waylander stieß die Tür auf und ging in die Dunkelheit hinein. Kysumu folgte ihm auf den Fersen.
Fast eine Stunde lang marschierte der Graue Mann durch die verlassenen Gänge, stieß Türen auf und stieg Treppen hinunter, wanderte durch Säle und Vorratskammern. Er unternahm keinen Versuch, sich heimlich anzuschleichen, und Kysumu hatte den Eindruck, dass sein Gefährte geradezu enttäuscht war, keine Monster zu finden. Sein Zorn, zwar beherrscht, war in jeder seiner Bewegungen zu erkennen.
Endlich kamen sie in die lang gestreckte Küche. Omri lag in einer Lache geronnenen Blutes neben dem Leibwächter Naren. Der Graue Mann kniete neben seinem alten Haushofmeister nieder. »Du hattest etwas Besseres verdient«, sagte er. Omris Gesicht war in einer Maske des Entsetzens erstarrt, und seine Augen waren weit aufgerissen. Der Graue Mann blieb eine Weile neben dem Toten knien, dann erhob er sich. »Er war ein ängstlicher Mann«, sagte er zu Kysumu. »Er verabscheute Gewalt. Sie machte ihm Angst. Aber er kannte und lebte die tiefsten Ebenen von Freundlichkeit und Mitgefühl. Du musst schon weit reiten, um jemanden zu finden, der schlecht von ihm sprechen würde.«
»Solche Männer sind selten«, stellte Kysumu fest. »Du hast ihn geschätzt. Das ist gut.«
»Natürlich habe ich ihn geschätzt, und ohne Männer wie Omri gäbe es keine Zivilisation. Sie empfinden, und damit schaffen sie alles, was gut ist. Es war Omri, der mich drängte, Mendyr Syn sein Hospital hier errichten zu lassen. Davor hat er Gelder für zwei Schulen in Carlis gesammelt. Er verbrachte sein Leben damit, für andere Gutes zu bewirken. Und das war sein Lohn: von einem seelenlosen Untier zerfleischt zu werden.«
Der Graue Mann fluchte leise, dann machte er sich daran, den Raum zu untersuchen. Auf dem Holzfußboden fand er einen großen Fleck, als ob dort Öl ins Holz gedrungen war. Er war etwa zwei Meter lang und alles, was von dem Wesen übrig war, das Omri getötet hatte.
Ein Tranchiermesser mit langer Klinge lag neben dem Fleck. Die Klinge war rostfleckig, der beinerne Griff versengt, als ob er im Feuer gelegen hätte.
Die beiden Männer verließen den Schauplatz und stiegen in den ersten Stock des Südturms. Hier lagen
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