Weasels: Donnereiche (Weasels 1) (German Edition)
Scharfschützenwiesel doch noch am Leben war.
»Willkommen zu Hause, Alissa«, sagte Sylber. »Wie ich gehört habe, hast du die andere Hälfte der Eierschale mitgebracht. Gut gemacht. Ausgezeichnet.« Er machte eine Pause. »Hat… hat Achsl dir gesagt…?«
»Er hat mir alles erzählt«, erwiderte Alissa, fest entschlossen, auf keinen Fall vor den anderen die Haltung zu verlieren. »Es ist … es ist sehr traurig.«
Sylber legte ihr die Vorderpfote um die Schulter und führte sie von der Gruppe weg. »Das ist es, in der Tat, Alissa, und ich weiß, dass du derartige Dinge viel stärker empfindest als die meisten von uns. Wir halten heute Abend eine kleine Gedenkandacht für Ohnforcht ab. Eine echte Wiesel-Verabschiedung – ich hoffe, du hältst bei dieser Gelegenheit eine kleine Rede für uns. Wirst du das für mich tun, Alissa? Du kannst mit Worten umgehen. Wir anderen sind ein wenig grobschlächtig und eher von der zupackenden Sorte, wir Kerle und Mädels aus dem Halbmondwald, aber ich weiß, dir werden passende Worte über Ohnforcht einfallen.«
»Eine echte Wiesel-Verabschiedung«, wiederholte sie mit einem Kopfnicken, wissend, dass es ein Fest und keine Trauerfeier sein würde. »Ein Gehabdichwohl?«
»Genau«, bestätigte Sylber. »Ein Gehabdichwohl.«
»Das hätte Ohnforcht gefallen«, sagte Alissa. »Ich weiß es.«
Also bereiteten sich die Wiesel auf das so genannte Gehabdichwohl vor, das vielmehr eine Feier auf das Leben des dahingeschiedenen Wiesels und kein Betrauern seines Todes sein sollte. Wiesel finden am Tod nichts Schlimmes, da er das Ende einer Reise und der Beginn einer neuen ist. Der Punkt des Todes ist lediglich eine Wegestation, wo ein Wiesel von seiner sterblichen Form in eine spirituelle Existenz übergeht.
Die Umstände des Sterbens, so wie in Ohnforchts Fall, waren etwas, über das man wütend oder traurig war. Er war unnötigerweise getötet worden, von einem Geschöpf ohne jeden Funken von Reue im Leib. Magellan war ein kaltblütiger Mörder, dessen einziger Gedanke ihm selbst galt. Das war ein Grund zur Trauer, doch Ohnforcht hatte ein gutes Leben gehabt, war von seinesgleichen geliebt worden und verdiente es, dass sein Leben mit einem wundervollen Abschied bejubelt wurde.
Als der Abend nahte, wurden die Rohrflöten und Trillerpfeifen hervorgeholt, Trommeln kamen zum Vorschein. Ein großes Freudenfeuer wurde auf der Lichtung errichtet, mit reichlich Platz zum Tanzen darum herum. Gewöhnlich bekam der Leichnam des toten Wiesels den stolzen Ehrenplatz oben auf dem Feuer. Er wurde verbrannt, damit er niemals an einem Galgen hängen konnte.
Doch da Ohnforcht nicht leibhaftig anwesend war, wurde stattdessen ein Abbild von ihm auf das Feuer gelegt. Zusammen mit der Figur aus Stroh und Zweigen kamen einige seiner Wurfpfeile darauf, die er vor dem Aufbruch zu ihrer Mission angefertigt und in einem hohlen Baumstamm verwahrt hatte.
Als die Zeit gekommen war, wurde das Freudenfeuer entzündet und der Tanz begann:Wiesel schaukelten auf den Hinterbeinen wie Getreidestängel im Wind, Wiesel vollführten Sprünge und Kapriolen, Wiesel schmachteten mit hohen, schrillen Stimmen den Mond an. Die Flöten sangen, die Trommeln dröhnten heiße Wieselrhythmen, die Pfeifen trillerten.
Sogar Lord Hohkinn, so alt und gebrechlich er auch war, kam zu dem Feuer, um Ohnforcht seine Hochachtung zu zollen. Da er ein Hermelin war, waren ihm die Bräuche der Wiesel und ihre Einstellung zum Tod nicht so recht vertraut, aber er wusste, dass seine Anwesenheit von ihnen sehr geschätzt würde. Er war, wie Alissa, ein Geschöpf mit einem ausgeprägten Feingefühl, das sich die Sorgen der Welt zu Eigen machte.
Kurz bevor die Flammen das Abbild von Ohnforcht – den Ersatz für seine echte Leiche – erreichten, traten die Wiesel einer nach dem anderen vor und warfen einen Stein auf ihn.
Und dabei sprach jedes Wiesel die folgenden Worte, die dazu angetan waren, jegliche Spur von Groll auszuwischen. »Falls du mir in diesem Leben jemals Unrecht angetan haben solltest, Ohnforcht Wiesel, aus welchem Grund auch immer, mit oder ohne mein Wissen, möge dieser Stein dich für diese Tat treffen; und so trennen wir uns versöhnt, ohne böse Gefühle auf meiner oder auf deiner Seite. Wir sind für immer Freunde.«
Die Reihe der Wiesel zog vorbei, einer nach dem anderen, während ein Stein nach dem anderen geworfen wurde. Alissa war als Letzte dran.
Als Lord Hohkinn an der Reihe war, einen Stein zu werfen, tat er dies
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