Weatherly , L.A. - Dämonen des Lichts
darüber nachzudenken … aber jetzt konnte ich die Augen nicht länger vor der Wahrheit verschließen. Ich fing an zu zittern, als ich mir meiner Andersartigkeit vollends bewusst wurde. Dies war kein kurzes Aufblitzen von etwas gewesen, das genauso gut ein Traum hätte sein können – es war schmerzliche Realität.
Ich war nicht vollkommen menschlich.
»Oh Gott, ich will das nicht, ich will das nicht …«, brach es aus mir heraus. Und mit einem Mal schlug ich weinend die Hände vors Gesicht. Tiefe, hilflose Schluchzer schüttelten mich.
»Willow!, Willow, nicht … bitte nicht …«
Dann umfingen mich Alex’ Arme. Er hielt mich fest und wiegte mich hin und her. Ich sank an seine Brust und weinte, als würde ich nie wieder aufhören können. »Schon gut«, murmelte er mit rauer Stimme.
Er drückte mich an sich und legte seinen Kopf auf meinen, sodass ich spürte, wie seine Lippen sich auf meinem Haar bewegten. »Ist ja gut.«
Ich weinte lange und von meinen vielen Tränen wurde seine Brust unter meiner Wange ganz nass.
Nach und nach drang mir die Stärke seiner Arme ins Bewusstsein; sein Geruch; der kräftige Schlag seines Herzens.
Ich setzte mich auf und löste mich von ihm. Ich konnte ihm kaum in die Augen schauen.
»Wie erträgst du es nur, mich zu berühren?« Ich wischte mir die Tränen ab. »Wo du doch weißt, dass ich dieses Ding in mir habe, das genauso ist wie sie?«
»Nein!« Alex’ Stimme klang aufgebracht. Er packte mich bei den Schultern und zwang mich, ihn anzusehen. »Willow, hör mir zu. Du bist nicht wie sie. Ganz und gar nicht.«
Ich schluckte, wollte ihm so gerne glauben. Ich biss mir auf die Lippe, während ich die felsigen, kahlen Berge am blauen Horizont anstarrte und mich daran erinnerte, wie sie zur Seite gekippt waren, als ich geflogen war. »Es wird nie wieder weggehen, oder?«, flüsterte ich.
Langsam schüttelte Alex den Kopf. »Nein«, sagte er. Mitgefühl spiegelte sich in seinen Augen.
Ich sah nach unten und zog einen Finger über die rissige Erde. Sie fühlte sich trocken und körnig an. Um uns herum schien sich die Wüste in die Unendlichkeit auszudehnen und die Sonne knallte auf uns herunter wie in einem Glutofen. »Okay«, sagte ich schließlich. »Das war mir eigentlich schon klar.« Beschämt räusperte ich mich. »Es … es tut mir leid. Ich wollte nicht so ausflippen.«
»Du muss dich nicht entschuldigen.« Er half mir auf. Ganz kurz blieb seine Hand auf meinem Arm liegen. »Alles in Ordnung?«
Ich nickte, ohne ihn wirklich anzusehen. »Ja, glaub schon.« Aber als ich daran dachte, was passiert war, fingen meine Wangen an zu brennen. Mein Engel hatte ihn beschützt. Deutlicher ging’s ja wohl nicht mehr.
Alex stieß die Luft aus. »Gut, okay … wir sollten besser zusehen, dass wir hier wegkommen, und uns überlegen, was wir jetzt machen.«
Wir kletterten zurück in den Geländewagen. Meine Beine fühlten sich ganz seltsam und wackelig an. Und jetzt, mit Verzögerung, tat auch mein Arm wieder weh und pochte dumpf unter Alex’ T-Shirt. Er kurbelte am Lenkrad, während wir zurück auf die Staubstraße holperten. Eine Sekunde später rasten wir wieder durch die Wüste. Ich lehnte mich in meinem Sitz zurück, schloss die Augen … und versuchte nicht daran zu denken, wie es war, Flügel zu haben, die im Sonnenlicht schillerten.
Ungefähr eine Stunde nachdem wir wieder auf den Highway gefahren waren, kamen wir an eine Raststätte – ein braun angestrichenes Gebäude mit einer Veranda, auf der Verkaufsautomaten standen. Drumherum verteilten sich ein paar vereinzelte, leere Picknicktische. Alex hielt hinter dem Gebäude, sodass der Wagen von der Straße aus nicht zu sehen war.
In der Damentoilette tauschte ich mein T-Shirt gegen ein frisches und stellte mich dann ans Waschbecken, wo ich mir Wasser ins Gesicht spritzte. Etwas davon tropfte auf meinen verletzten Arm und verwandelte die angetrockneten Blutspuren in ein blasses, wässriges Rot. Der Spiegel war eines von diesen Metalldingern, in denen man sich kaum sehen kann. Trotzdem konnte ich genug erkennen, um festzustellen, dass ich aussah, als sei ich einem Horrorfilm entsprungen. Rote Rinnsale liefen mir den Arm hinunter wie nach einem Zombieangriff. Ich grinste schwach, als ich mir Ninas Reaktion vorstellte: Alle mal hersehen, hier kommen Willow und die Zombies! Schnell, ruft Steven Spielberg an!
Dann verging mir das Grinsen. Was würde sie sagen, wenn sie wüsste, was ich in Wahrheit war? Ich versuchte,
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