Weatherly , L.A. - Dämonen des Lichts
dadurch auf einmal so viel realer erschien. Stumm saß ich da und schlang die Arme um meinen Oberkörper. Nate setzte sich wieder, nachdem er Sophie und mir Kaffee hingestellt hatte. Meiner wurde kalt. Im Fernsehen lief nach einer Gameshow jetzt eine Seifenoper, danach folgten die Nachmittagsnachrichten.
Schließlich sah Nate auf die Uhr. »Wir sollten uns besser fertig machen«, sagte er.
Sophie und ich gingen ins Badezimmer, wo sie mein Haar zu einem festen Knoten zusammenfasste. »Du hast wunderschöne Haare«, sagte sie, während sie es seitlich hochsteckte.
Nein, ich liebe es. Es ist so weich. Ich fixierte mein Spiegelbild, während ich Alex’ Stimme hörte und seine Hand spürte, wie sie meine Haare streichelte, die auf seinem Oberkörper lagen. Ich konnte nicht sprechen.
Als Sophie fertig war, fühlte sich mein Kopf wegen der strammen Frisur ganz sonderbar an. Wieder im Wohnzimmer, brachte sie mehrere Paare schwarzer Schuhe mit Keilabsatz zum Vorschein, die sie mir am Morgen, als sie unterwegs gewesen war, gekauft hatte. Ein Paar passte perfekt.
»Gut?«, fragte sie und beäugte sie prüfend.
»Ja, prima.«
»Brauchst du Strümpfe?«
Ich schüttelte den Kopf. Ich fing an, mich innerlich von allem zu distanzieren wie in einem Traum, als wäre ich nur noch ein Gespenst meiner selbst. Und gleichzeitig hämmerte mein Herz so wild, als wollte es mir aus der Brust springen. Ich registrierte die merkwürdigsten Kleinigkeiten: Das Gemälde an der Wand hing schief; an Sophies Kaffeebecher auf dem Tisch war Lippenstift; Nates unförmiger grauer Pullover hatte am Bündchen ein kleines Loch.
»Okay, ich glaube, wir sind so weit«, verkündete Nate endlich.
Ich griff nach meiner Tasche. »Gut.« Wieso klang ich so normal?
Sophie nahm die Robe und legte sie sich über den Arm. In silbrigblauen Falten fiel sie herab. »Wir ziehen sie dir im Hubschrauber über«, sagte sie. Mit der anderen Hand hob sie ihre Aktentasche mit der Angelica hoch.
Nate legte mir die Hand auf den Rücken, als wir das Appartment verließen. Wir gingen den Flur hinunter. Meine Beine fühlten sich an, als gehörten sie jemand anderem; sie bewegten sich ohne mein Zutun. Ich schloss die Augen, tauchte kurz in mein Inneres hinab und fand meinen Engel, spürte ihre leuchtende, liebevolle Gegenwart und sah das reine Weiß ihrer Flügel aufblitzen. Meine Arme schlossen sich fest um meine Tasche, als tiefer Kummer in mir aufstieg. Ich hatte diesen Teil meiner Selbst kaum kennengelernt und nun würde es zu spät sein.
Als wir in den Wagen stiegen, war es genau Viertel vor fünf. In einer guten Stunde würde ich vor der Pforte knien. Ich strich über meinen Pullover und streichelte den Kristallanhänger, der sich darunter an meine Haut schmiegte. Ich liebe dich, Alex, dachte ich. Es tut mir leid. Es tut mir so leid.
Ich weinte nicht, als wir davonfuhren.
Ich fühlte mich, als würde ich nie wieder weinen.
18
Aus der Sierra Nevada mit ihren verschlungenen Bergstraßen und Haarnadelkurven herauszukommen, dauerte mehrere Stunden. Jede einzelne Minute, die verstrich, fühlte sich nicht nur an wie eine Stunde, sondern wie eine Stunde zu viel, die in Alex’ Schläfen pochte. Trotzdem widerstand er verbissen der Versuchung, das Gaspedal durchzudrücken und mit über hundert Sachen um die engen Kurven zu rasen.
Er musste sein Ziel erreichen. Von der Straße abzukommen und mit dem Wagen in einen Abgrund zu stürzen, kam nicht infrage. Er hatte beide Hände fest am Lenkrad und fuhr so schnell, wie er sich traute. Schließlich erreichte er den Highway und gab Gas, erleichtert, dass er endlich schneller vorankam.
Die nächsten zwanzig Stunden fuhr er einfach durch. Nur zweimal hielt er an, um nachzutanken. Als er in einer Männertoilette einen Blick auf sein Spiegelbild erhaschte, erkannte er sich selbst kaum wieder – seine Augen sahen dunkel und gehetzt aus. Doch kaum hatte er das registriert, war er auch schon wieder zur Tür hinaus und auf dem Rückweg zum Geländewagen.
Es wurde Abend, dann Nacht und wieder Tag, während er Nevada und Utah durchquerte, bis er schließlich nach Colorado kam. Er lag gut in der Zeit und spürte, wie die ängstliche Übelkeit ein ganz klein bisschen nachließ. Die Überquerung der Rockies lag zwar noch vor ihm, aber das würde schon klappen. So wie es aussah, würde er es nicht nur rechtzeitig schaffen, sondern sogar noch etwas Zeit übrig haben.
Eine halbe Stunde nachdem er in die Rocky Mountains gefahren war,
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