Weber, David - Honor Harrington - Sturm der Schatten
haben, müssen wir sie nicht nur einhalten, sondern übertreffen. Wir müssten Handelsanreize, gegenseitige Beistandspakte, Bildungshilfen anbieten, alles, womit wir ihnen zeigen können, dass wir die Sorte Nachbar und Verbündeter sind – es wirklich sind und nicht nur zu sein vorgeben –, die man sich wünscht. Mit anderen Worten, sobald wir die Liga militärisch gebrochen, sie in zahlreiche, voneinander abhängige Sternnationen aufgesplittert haben, müssen wir dafür sorgen, dass diese Sternnationen keinen Beweggrund erhalten, sich erneut gegen uns zusammenzuschließen.« Sie schwieg, und im Konferenzraum herrschte ein neues, andersgeartetes Schweigen. Alle, mit Hamish Alexander-Harrington als vielleicht einziger Ausnahme, starrten Honor erstaunt an. Elisabeth wirkte weniger überrascht als die meisten anderen, doch auf ihrem Gesicht lag ein Ausdruck, der fast verwundert erschien.
Kein Mann und keine Frau am Tisch hätte die militärischen Kenntnisse der Herzogin Harrington infrage gestellt, oder ihre taktische, operative und strategische Befähigung … auf rein militärischem Gebiet. Dennoch sahen die meisten sie nach wie vor als Flottenkommandeurin. Als Manticores beste Flottenkommandeurin vielleicht, aber dennoch als Flottenkommandeurin. Während sie ihr zuhörten, begriffen sie, wie blind sie gewesen waren – und wie dumm, ihre Blindheit nicht schon vorher erkannt zu haben. Zu ihrer Verteidigung muss angeführt werden, dass die meisten Kenntnisse, die Honor bislang auf dem Felde der politischen Strategie und Analyse bewiesen hatte, sich auf innere Angelegenheiten oder Beziehungen zwischen den Mitgliedern der Manticoranischen Allianz konzentrierten. Deshalb war den Anwesenden nie der Gedanke gekommen, sie hätte sich mit ihrer bemerkenswerten Befähigung bereits auf die Solare Liga als erster großer Herausforderung für das Sternenimperium gestürzt haben können, und das war eben erstaunlich blind von ihnen gewesen.
»Ich glaube, du hast recht«, sagte die Königin schließlich und brachte eine halb belustigte Miene zustande. »Ich nehme an, ich war so sehr auf Überlegungen fixiert, wie ich dem Kampf gegen die Liga aus dem Weg gehe und was für ein Furcht einflößender Gegner sie wäre, dass ich mir unserer Schwächen und Nachteile viel deutlicher bewusst war als irgendeiner Schwäche, an der die Liga kranken könnte.«
»Das gilt nicht nur für Sie, Eure Majestät«, sagte Sir Thomas Caparelli. »In der Admiralität ist sich der Strategische Rat schon seit einiger Zeit darüber klar, dass im Falle offener Feindseligkeiten nur Operationen im großen Stil gegen die Liga infrage kommen. Allerdings sind wir mit unserer Planung nie über den Punkt hinausgekommen, dass wir die Liga irgendwie in die Knie zwingen, ihre militärische Infrastruktur beseitigen und dann das Sternenimperium einer generationenlangen Besatzungspolitik unterwerfen müssen. Wir können nicht einmal ansatzweise hoffen, jedes Sonnensystem der Liga zu besetzen und mit einer Garnison zu versehen – das geht nicht einmal für die wichtigsten Industriezentren. Wir könnten allenfalls Besatzungstruppen in die Hauptsysteme stellen. Wir müssten dann von der Liga fordern, auf eine große, moderne Navy zu verzichten, nachdem wir ihre existierende Flotte militärisch besiegt hätten, und in allen Systemen, in denen eine solche Flotte wiederaufgebaut werden könnte, Beobachter postieren, die die Werften im Auge behalten und beim ersten Anzeichen für eine Verletzung des Friedensvertrags, indem neue Kampfschiffe gefertigt werden, schwere Einheiten herbeirufen.
Das Problem bei dieser Art Strategie ist, dass sie beinahe mit Sicherheit dafür sorgt, dass irgendwann irgendjemand in der Liga aufsteigt, der eine revanchistische Politik verfolgt und über die Mittel verfügt, sie durchzusetzen. Irgendwann werden die Sollys eine Möglichkeit finden, uns zu übertölpeln wie Theisman, und sie werden irgendwie irgendwo eine Flotte bauen, die groß genug ist, um uns zu zwingen, unsere Besatzungstruppen aus den besetzten Systemen abzuziehen, damit wir gegen sie kämpfen können. In diesem Moment werden sich andere Systeme, die uns nicht gut leiden können, gegen uns stellen, und dann sind wir, wie Hamish es so hübsch ausgedrückt hat, Geschichte.
Aber wenn Honor richtig liegt in ihrer Einschätzung, dass die Liga weit zerbrechlicher ist, als man anzunehmen gewohnt ist – und ich glaube, dafür spricht eine Menge –, dann gibt es noch eine andere
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