Weber, David - Honor Harrington - Sturm der Schatten
der Stelle, war es lediglich eine Reaktion auf die Miene des Lieutenants und die Anspannung, die in ihrer Stimme knisterte wie ein kurzgeschlossenes Stromkabel.
»Jawohl, Sir, so ist es.« Der Signaloffizier atmete tief durch, und trotz der Lage empfand Blaine eine leichte Belustigung, als sie automatisch auf den beruhigenden Einfluss seines Tonfalls reagierte. Doch lange hielt diese Belustigung nicht an.
»Erste Abschätzung der Admiralität spricht von mindestens dreihundert Wallschiffen, Sir«, sagte sie. »Erste Vektorenextrapolation deutet darauf hin, dass sie sich auf zeitoptimiertem Kurs Sphinx nähern wollen.«
Blaine war, als hätte ihm jemand in den Bauch geboxt. Dreihundert Wallschiffe? Das war … das war Irrsinn. Wenn Thomas Theisman als Kriegsminister der Republik Haven stets eines verweigert hatte, dann den Menschen unter seinem Befehl die Todesritte von Offensivoperationen zu befehlen, wie sie der Flotte früher vom Komitee für Öffentliche Sicherheit abverlangt worden war.
Aber vielleicht ist es kein Todesritt, dachte Blaine, während ihm ein eisiger Wind durch das Mark seiner Knochen strich. Dreihundert Wallschiffe … wahrscheinlich mit Maximalladungen Raketengondeln … D ’Orville gezwungen, auch den Wurmlochknoten zu schützen …
Herr im Himmel, begriff er plötzlich, und ihm wurde noch kälter. Sie könnten es tatsächlich schaffen! Und wenn das passiert …
»Sofort Signal an alle Geschwader- und Divisionskommandeure«, hörte er seine Stimme dem weiblichen Lieutenant auf dem Display befehlen.
»Jawohl, Sir.« Die Erleichterung der jungen Frau, etwas tröstlich Vertrautes tun zu können, war offensichtlich. »Mikrofon aktiv, Sir«, meldete sie einen Augenblick später.
»Leute«, sprach Blaine in den Aufzeichner, »wir werden zu Hause gebraucht. Augenblicklich tritt Operationsplan Heimkehr in Kraft. In dreißig Minuten haben die Impellerkeile zu stehen, und Ihre Schiffe laufen aus. Blaine Ende.«
Der Signaloffizier drückte eine Taste und sah ihn an.
»Saubere Aufnahme, Sir«, bestätigte sie.
»Hängen Sie den vollständigen Text der Admiralitätsdepesche an«, befahl er.
»Jawohl, Sir!«
»Dann senden Sie es, Lieutenant. Senden Sie es.«
Blaine trennte die Verbindung, und während er begann, die Comkombination seines Stabschefs mit Notfallvorrangkennung einzugeben, zuckten ihm noch einmal seine Gedanken über Übungsgefechte durch den Kopf wie ein Sommergewitter am fernen Horizont. Wenigstens hatten sie Plan Heimkehr geübt, die Notfallverlegung der Kampfgruppe ins Heimatsystem. Nicht dass irgendjemand erwartet hätte, ihn je zu brauchen.
Wie mein Vater immer zu sagen pflegte: Es gibt wichtige Dinge, die man eigentlich nie wirklich benötigt – bis zu dem Moment, wo man sie dringend benötigt. Merkwürdig. Ich habe ihn immer für überzogen pessimistisch gehalten.
»Jawohl, Sir?« Sein Stabschef erschien auf dem Bildschirm, in einen Trainingsanzug gekleidet, und wischte sich mit einem Handtuch Schweiß von Stirn und Wangen. Hinter ihm sah Blaine eine eingefrorene Basketballsimulation.
»Ich fürchte, Ihr Match ist vorbei, Jack«, sag te Blaine. »Offenbar haben wir ein kleines Problem.«
3
»Gute Arbeit beim Erfassen des Kontakts, Pettigrew«, lobte Lieutenant Abigail Hearns. »Wir müssen allerdings lernen, die Identifikation der Bogeys schneller zu aktualisieren.«
»Jawohl, Mylady«, antwortete Sensortechniker Erster Klasse Isaiah Pettigrew mit beinahe demütiger Stimme, und Abigail konnte sich gerade noch verkneifen, mit den Zähnen zu knirschen.
Der hochgewachsene, schlaksige Sensortechniker hatte den gleichen weichen, singenden Tonfall wie sie. In vielerlei Hinsicht erinnerte er sie auf zutiefst beruhigende Weise daran, wer sie war, nachdem sie ihre Heimatwelt so lange nicht mehr gesehen hatte. Andererseits hätte sie Pettigrew – und eine Handvoll weiterer Graysons in der Besatzung von HMS Tristram – am liebsten mit bloßen Händen erwürgt.
Eigentlich ist es nicht seine Schuld, sagte sie sich … schon wieder. Er stammt von Grayson. Er kann nicht vergessen, dass Daddy Gutsherr Owens ist und ich darum Miss Owens bin und nicht bloß Lieutenant Hearns. Wahrscheinlich fällt ihm deshalb die Anrede ›Ma’am‹ gar nicht erst ein, wenn er mit mir reden muss. Und so ärgerlich das auch ist, ich könnte wahrscheinlich damit leben, wenn er nur aufhören würde, so dreinzuschauen, als würde er am liebsten auf die Knie gehen und mir die Hand küssen, sobald ich
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