Weber, David - Honor Harrington - Sturm der Schatten
der Roland und Chatterjees Flaggkommandant, düster, und Chatterjee schnaubte.
»Natürlich hat sie recht, Jack! Erstens, weil sie die Botschafterin ist und wir die Leute sind, die ihren Auftrag unterstützen sollen; also ist sie es, die entscheidet. Und zwotens, weil ich ihr zufällig zustimme. Ich suche lediglich nach einer Idee, wie wir es am besten handhaben. Sollen wir die Sollys einfach ignorieren? So tun, als wären sie nicht da, bis sie sich entschließen, uns anzurufen? Oder behandeln wir es als normalen Hafenbesuch und halten uns an das Protokoll für den Austausch zwischen befreundeten Mächten, die einander in neutralem Hoheitsraum begegnen?«
»Ich glaube nicht, dass es einen Sinn hat, hier allzu verstohlen vorzugehen«, stellte Corvisart schließlich fest. Chatterjee forderte sie mit einer Handbewegung auf fortzufahren, und sie hob die Schultern. »Auf keinen Fall befinden sich in einem abgelegenen Sonnensystem so viele solarische Kriegsschiffe wie in New Tuscany, ohne eingeladen worden zu sein. Eine Einladung, die sie den weiten Weg aus dem Madras-Sektor hierher gerufen hätte, müsste aber schon sehr dringend formuliert sein. Vielleicht von einer Note begleitet, in denen diese vielen fiesen manticoranischen Übergriffe gegen unschuldige tuscanianische Händler geschildert werden. Wir müssen folglich davon ausgehen, dass die Solarier nicht zufällig hier und uns von vornherein feindlich gesinnt sind, und dass wir von ihnen einige Unannehmlichkeiten zu erwarten haben, solange wir hierbleiben.«
»Na, das ist ja wenigstens nichts, womit wir keine Erfahrung hätten!« Lori Olsons gemurmelter Kommentar fiel gerade so leise aus, dass Chatterjee vorgeben konnte, ihn nicht gehört zu haben. Im Übrigen stimmte er ihm von ganzem Herzen zu.
»Andererseits«, fuhr Corvisart fort, »sind sie zumindest theoretisch neutrale und unvoreingenommene Außenstehende. Wir haben mit der Regierung von New Tuscany zu tun, nicht mit der Navy der Solaren Liga, und so sollten wir es auch angehen. Wenn der solarische befehlshabende Offizier sich entschließt, in den Vorgang einzugreifen, werde ich mich damit befassen.
Aber solange das nicht geschieht, werde ich die Solarier vollkommen ignorieren. Schließlich bin ich eine Zivilistin, die mit anderen Zivilisten zu tun hat. Sie und Ihr Stab kümmern sich um den Austausch der zwischen zwei Raumstreitkräften üblichen Höflichkeiten.«
»Na toll«, erwiderte Chatterjee. »Das wird ein Spaß.«
Mehrere Stunden später befand sich Commodore Chatterjee noch immer auf der Flaggbrücke der Roland.
Für die im Vergleich zu anderen Zerstörern gewaltige Größe der Roland gabes zwei Gründe. Der eine war die Tatsache, dass die Klasse als einzige Zerstörer in der Milchstraße darauf ausgelegt waren, die Zweistufenrakete Typ 16 zu verschießen. Diese Möglichkeit in den Zerstörerrumpf zu pressen – und zwar in Form von zwölf Werferrohren – hatte eine grundlegende Modifikation des Lenkwaffenwerfers Typ 9c erfordert, der in der Saganami-G- Klasseverbaut war. Der Typ 9e der Roland bestand im Wesentlichen aus dem Werferrohr des 9c ohne die externen Aggregate, die zum Betrieb eines autarken Lenkwaffenwerfers nötig waren. Sechs dieser Rohre wurden zusammengefasst und mit einem Aggregat versehen, das alle sechs bediente. Ein solches Werfersextett führte die Roland in beiden Hammerköpfen, vorn und achtern, wo üblicherweise die Jagdenergiebewaffnung eines Schiffes untergebracht war. Da ein manticoranisches Schiff in alle Richtungen zu feuern vermochte, nicht nur in die, in die seine Rohre zeigten, konnten pro Salve zwölf Lenkwaffen auf ein beliebiges Ziel abgeschossen werden. Zugleich wurde die Hauptbewaffnung des Schiffes dadurch verwundbarer: Ein einziger Treffer konnte die Hälfte der Raketenarmierung eines Rolands ausschalten, ein Gedanke, den Chatterjee nur ungern weiterverfolgte. Andererseits dienten Zerstörer anderen Zwecken, als Beschuss standzuhalten wie ein Wallschiff, und für die überwältigenden Vorteile der Roland im Lenkwaffengefecht nahm er ihre verwundbaren Stellen bereitwillig in Kauf.
Der andere Grund für ihre Größe (von der Notwendigkeit abgesehen, Magazinraum für ihre Raketenwerfer zu schaffen) bestand darin, dass jedes Schiff der Roland- Klasseals Flaggschiff ausgelegt war. Die Royal Manticoran Navy hatte während des ersten Havenkrieges einen Engpass an brauchbaren Flaggschiffen für Kreuzer- und Zerstörerverbände erlebt, und die Rolands
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