Weber David - Schwerter des Zorns - 2
Allgemeinen und
auf die vom Rabenklauen-Clan im Besonderen. Bahzell wusste, dass
er in Brandarks Gegenwart sein Schwert nur deshalb in der Scheide
ließ, jedenfalls bis jetzt, weil der Navahkaner Bahzells Schwertbru
der war.
»Nein, kann ich nicht«, antwortete Gharnal, ohne Brandark auch
nur eines Blickes zu würdigen. »Wir reden hier davon, fast fünf Dut
zend Krieger mitten im Winter auf das Territorium der Blutklingen
zu führen. Aye, und das, obwohl wir mit diesen Missge… mit die
sem Abschaum immer noch offiziell im Frieden leben.« Er sah
Marglyth und Kaeritha an, als er hastig ein anderes Wort wählte als
das, was er ursprünglich hatte benutzen wollen, fuhr dann jedoch
mit unverminderter Vehemenz fort. »Wenn es dir nichts ausmacht,
würde ich gern ein bisschen mehr Gewissheit bekommen, statt uns
von bloßem Hörensagen über irgendwelche ›Jagdausflüge‹ leiten zu
lassen.«
Brandark wollte etwas erwidern, klappte jedoch den Mund zu, als
ihm Bahzell unter dem Tisch auf die Zehen trat. Bahnak hatte sechs
Tage gebraucht, die Nachricht unters Volk zu streuen, dass Bahzell
Freiwillige suchte. Bis sich diese Freiwilligen versammelt hatten,
hatte sich Brandark ausgesprochen diplomatisch verhalten, was ihm
nicht gerade leicht gefallen war. Es gelang ihm nur auf Grund der
ehernen Regeln der Gastfreundschaft der Hradani, die für beide Sei
ten galten. So wie Gharnal ihm nicht mit offener Unfreundlichkeit
begegnen durfte, solange er Bahzells Gast war, war auch Brandark
verpflichtet, davon Abstand zu nehmen, seine Gastgeber mit einer
Beleidigung offen zu reizen. Das jedoch war leichter gesagt als ge
tan, und Bahzell wusste, dass sein Freund sein Temperament nur
mit Mühe zügeln konnte. Er wollte etwas sagen, Hurthang kam ihm
jedoch zuvor.
»Ruhig jetzt, Gharnal!« Trotz seiner »nur« knapp zwei Meter fünf
undzwanzig war Hurthang noch kräftiger als Bahzell, obwohl das
kaum möglich schien. Seine bevorzugte Waffe war die Streitaxt, eine
zweihändige, doppelschneidige Großaxt mit einer aufgesetzten Si
chel. Diese Waffe hatte dem Clan der Eisenaxt vor Jahrhunderten
seinen Namen gegeben. Sie ähnelte den zwergischen Streitäxten, die
die Eliteeinheit der Brüder der Axt in der Königlich-Kaiserlichen Ar
mee benutzten, und Hurthang trug sie selbst jetzt in ihrem Futteral
auf dem Rücken. Während die Brüder der Axt diese mächtige Waffe
jedoch nur mit beiden Händen einsetzen konnten, hielt Hurthang sie
mit einer und konnte damit Dinge vollbringen, von denen ein
Zwerg nicht einmal träumte.
Jetzt sah er Gharnal mit einem schiefen Grinsen an und schüttelte
den Kopf. Seine Stimme war zwar nicht so tief und grollend wie die
des anderen Pferdediebes, aber sie war immer noch kräftiger und
durchdringender als die eines Menschen. Hurthang hatte ebenso
viel Grund, Navahk zu hassen wie Gharnal. Er hatte zwar seinen
Vater nicht im Krieg verloren, aber zwei Brüder, einmal ganz davon
zu schweigen, was Harnak Farmah angetan hatte. In einigen Men
schenländern wäre Farmah als für immer befleckt ausgestoßen wor
den – als wäre ihre Schuld gewesen, was Harnak ihr angetan hatte.
Hradani sahen das jedoch anders, glaubten dafür aber an ausglei
chende Gerechtigkeit und Vergeltung. Und Letzteres suchte Hur
thang mit aller Macht für seine versprochene Braut. Da Harnak tot
war, konnte er diese Vergeltung nur noch an Harnaks Verwandten
üben. Aus diesem allgemein bekannten Grund war er Bahzells Ruf
eiligst gefolgt. Und genau deshalb musste selbst Gharnal gehorchen,
wenn Hurthang anerkannte, dass es noch andere, ebenso wichtige
Argumente gab. Außerdem war Hurthang vier Jahre älter als Bah
zell, diente Barodahn als einer seiner jüngsten Hauptleute und
strahlte natürliche Autorität aus. Vor allem jedoch war er nicht
Gharnals Stiefbruder. Auch wenn Gharnal Bahzells Autorität dulde
te, färbte die gemeinsam verbrachte Kindheit ihr Denken und Ver
halten. Was bedeutete: Hurthang konnte weit nachdrücklicher mit
Gharnal sprechen als Bahzell oder Marglyth, ohne dabei das Ge
spenst von verletzten Gefühlen und möglichen Spannungen zu be
schwören.
»Wenn du keine bessere Idee hast, wie wir vorgehen sollen«, fuhr
Hurthang fort, »solltest du jetzt den Mund halten oder ihn mit ei
nem Bierkrug stopfen, bis wir gehört haben, was Brandark zu sagen
hat.«
Das Grinsen, das seine Worte begleitete, nahm ihnen etwas von ih
rer Schärfe, und es half auch, dass die Männer um den Tisch herum
leise lachten. Einen Augenblick lang sah es
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