Weber David - Schwerter des Zorns - 2
und Waden und hielt das
Schwert weiter erhoben vor sich.
»Ich höre dich, Chavâk«, sprach er förmlich den jungen Krieger
an, der so formell wie ein Clanpatriarch bei der Großen Versamm
lung der Clans gesprochen hatte, »und ich respektiere dich dafür,
dass du deine Meinung so klar und offen geäußert hast. Aye, vor
gar nicht so langer Zeit habe ich fast wörtlich dasselbe gesagt. Und
zwar erheblich lauter als du, als Erselbst und ich uns das erste Mal
von Angesicht zu Angesicht gegenüberstanden.«
»Und wie hat Er geantwortet?« wollte Chavâk wissen.
»Gar nicht«, erwiderte Bahzell schlicht. »Jedenfalls nicht in dem
Augenblick, denn Erselbst hatte sehr deutlich erkannt, dass Er etwas
Überzeugenderes benötigen würde als Worte, um die Meinung ei
nes Hradani zu ändern.« Er lächelte schwach. »Wir neigen dazu, ge
legentlich etwas stur zu sein, jedenfalls habe ich das sagen hören.«
Er zuckte die Achseln, und einige Zuhörer lachten leise. Doch
dann erlosch sein Lächeln und er sprach ruhig weiter.
»Und er hat etwas Überzeugenderes gefunden, aye. Letztlich
könnten viele die List eines Dämons darin sehen. Aber Erselbst hat
mich mit etwas bestochen, das Er mir schon viel früher hätte anbie
ten können, ein Geheimnis, das Er mir hätte verraten können, wenn
Er mein Gelübde hätte erkaufen wollen. Aber Er wollte mich nicht
bestechen, Chavâk. Dich übrigens auch nicht. Dennoch gibt es et
was, das du wissen solltest, etwas, das Erselbst mir zum Geschenk
gemacht hat, das weder an einen Preis noch an Bedingungen ge
knüpft war, und das alle Hradani erfahren sollten, Pferdediebe und
Blutklingen. Alle.«
Er lächelte Brandark kurz zu, der umringt von seinen Erbfeinden
still neben der Landkarte saß, und holte dann tief Luft.
»Seht ihr, Männer, es gab einen Grund, aus dem Erselbst sich nach
zwölfhundert tödlich langen Jahren einen Hradani als Paladin aus
erkoren hat. Er hat sicher mehr als eine Aufgabe im Sinn, die ich er
ledigen soll, aber euch zu sagen, was Er mir verraten hat, ist die
Aufgabe, die für unser ganzes Volk die wichtigste ist, denn es geht
dabei um die Blutrunst.«
In der Stille, die wie ein Hammer nach dem letzten Wort herabfiel,
hörte man das leiseste Knacken des Kaminfeuers und selbst das
Seufzen des Windes über dem Dach. Bahzell lächelte gequält.
»Wir alle wissen, wem wir die Blutrunst zu verdanken haben«,
sagte er, und seine tiefe Stimme wogte über die Anwesenden hin
weg wie die ruhige Welle eines mächtigen Ozeans. »Aber es gibt et
was, das wir nicht wussten, bis Erselbst mir und Brandark die
Wahrheit erzählt hat. Als uns die Schwarzen Hexer in Kontovar die
Blutrunst einpflanzten und uns zwangen, für sie zu kämpfen und zu
sterben, drang ihr Bann tief in unsere Knochen und unser Blut ein.
Zwölf Jahrhunderte lang haben wir den Fluch weitergegeben, vom
Vater auf den Sohn, den Enkel und Urenkel. Und wegen eben dieser
Blutrunst hassen und fürchten uns die anderen Menschenrassen.
Doch die Blutrunst, unter der wir nach wie vor leiden, ist nicht mehr
dieselbe, die uns dieser Abschaum damals auf den Hals gehext hat.«
Niemand sagte etwas, doch er sah, wie seine Zuhörer die Ohren
spitzten und die Stirne runzelten, als sie sich fragten, worauf er hin
auswollte. Er hob sein Schwert ein Stück höher.
»Ich schwöre es euch bei diesem Schwert.« Er erhob seine Stimme
nicht, aber sie fegte wie Donner über die Anwesenden hinweg, und
seine Augen blitzten. »Die alte Blutrunst existiert noch, und das
wird sie auch noch in den kommenden Jahren tun. Aber dabei ver
ändert sie sich endlich. Wenn wir sie rufen, wenn wir sie bewusst zu
uns rufen, statt uns gegen unseren Willen von ihr überwältigen zu
lassen, können wir sie kontrollieren.«
Die meisten Anwesenden sahen ihn verwirrt an, in einigen Blicken
aber bemerkte er auch Verständnis dämmern und eine starke, ein
dringliche Hoffnung aufflammen. Er nickte.
»Tomanâk Selbst hat es gesagt. Die Blutrunst kann uns gegen un
seren Willen packen und überwältigen, doch nur, wenn wir das zu
lassen. Wir können sie jedoch auch rufen und, aye, wir können sie
vom heutigen Tag an einsetzen, wie wir es wollen und brauchen.
Nicht als Fluch, der uns zu Vieh und noch weniger degradiert, son
dern als Werkzeug, als eine Waffe, die auf unsere Führung und un
seren Willen reagiert und uns zu mehr macht, als wir sind! Das ist
der Grund, aus dem Er einen Hradani zum Paladin erwählte, damit
dieser den Hradani mitteile, dass nach zwölfhundert Jahren
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