Weber David - Schwerter des Zorns - 2
verabscheute, wie sie
ihnen nie das Wasser hatte reichen können.
Wie verächtlich die Roten Lords auch die vermischten Stammbäu
me des Reiches fanden, die Früchte der Arbeit der Axtmänner fielen
Bahzell und Brandark sofort ins Auge, als sie an diesem kalten Win
tertag durch Belhadan schlenderten. Die tiefe Bucht, die der Stadt
als Hafen diente, war zwar kleiner als die Bucht von Bortalik, doch
sie genügte vollauf. Mehr als zweihundert Schiffe fanden auf ihrer
sonnenbeschienenen, gekräuselten, kobaltblauen Oberfläche ausrei
chend Platz. Die Stadt selbst erhob sich auf dem blanken Fels dar
über wie eine gewaltige Blume, deren Blüten steile Dächer aus
Schiefer und Ziegel bildeten. Auch sie zeigten die unverwechselbare
Handschrift der Zwergeningenieure, nicht nur die massiven Wellen
brecher, die die Inseln vor der Bucht verbanden, um die Anlegestel
len selbst bei schlimmstem Sturm zu schützen. Doch auch der
menschliche und elfische Einfluss war offensichtlich.
Keine andere Rasse konnte so gut mit Steinen umgehen wie die
Zwerge, und Belhadan war zweifellos ein Werk ihrer Kunst. Doch
Zwerge bevorzugten immer gerade Linien und schwindelnde Hö
hen, gepaart mit Sinn und Zweck, und ihre Liebe zum Stein hatte
niemals ihren Drang besiegen können, ihn zu beherrschen und nach
ihren Bedürfnissen zu meißeln. In vielerlei Hinsicht waren sie eben
so störrisch wie ihr geliebter Werkstoff, und sie lösten ein Problem
meistens, indem sie ihm kompromisslos begegneten. Blockierten ein
Hügel oder ein Berg eine Straße, bohrte sich ein Zwergeningenieur
einfach schnurgerade durch das Hindernis hindurch. Er wäre zwar
durchaus in der Lage gewesen, es zu umgehen, aber der Gedanke,
einen Umweg zu machen, wäre ihm doch nie in den Sinn gekom
men. Es sei denn, jemand stieß ihn mit der Nase darauf.
Ganz offensichtlich hatte das auch jemand unter Belhadans Archi
tekten getan, denn die Stadt schmiegte sich sehr behaglich an die
Hügel, auf die sie aufgepfropft war. Statt die Berge zu unterwerfen,
umarmte Belhadan sie, und ihre Straßen und die kleinen, intimen
Plazas, die mit Ziegeln gepflasterten Plätze und die terrassenförmig
angelegten Höfe folgten ihren Konturen. Doch sie formte diese Kon
turen auch, bediente sich ihrer mit einer feinen Wirksamkeit, die der
Natur erlaubte, sie selbst zu bleiben, und die sie dennoch zum Nut
zen der Bürger Belhadans beugte. Als wäre eine »normale« Stadt in
Abschnitte aufgeteilt und mit liebender Sorgfalt in die Berge gesetzt
worden, die von Menschenhand unberührt geblieben schienen. Na
türliche Klippen und steile Hänge, mit immergrünen Pflanzen be
wachsen, erhoben sich über breite Plätze und Avenues, die für Han
del, Kommerz und für Regierungssitze ausgelegt waren. Kleine
Siedlungen von Häusern und Geschäften erstreckten sich über die
Hänge wie Gischt, die aus Rissen und Spalten aufstieg, während zu
den breiten Alleen Wohnstraßen hinabführten, auf denen Frachtkar
ren und Händlerkarawanen verkehrten. In regelmäßigen Abständen
erhoben sich Laternen, keine Fackeln, wie Bahzell sie als Straßenbe
leuchtung kannte, wenn es denn überhaupt eine gab, sondern große,
viereckige Laternen auf grün gestrichenen Pfosten. Sie standen da
wie Wachposten. Zwischen ihnen hingen hüfthohe Ketten, die die
Straßen von den breiten, gepflasterten Bürgersteigen abtrennten. Al
lein der Gedanke daran, wie die Straßen nachts aus einiger Entfer
nung aussehen mussten, wenn sie die Lebensadern der Stadt wie Si
lendros' Sterne erleuchteten, erfüllte Bahzell mit Ehrfurcht. Unter
der Oberfläche der Stadt führten Tunnel und Galerien durch eben
diese Klippen, gruben sich tief unter den Grundmauern hinweg und
boten Straßen, Schänken, Lagerhäusern, Reepschlägern, Schiffs
händlern und hundert verschiedenen Berufszweigen Heim und
Herd. All das war in den lebendigen Fels gehauen, ohne die spröde
Schönheit der Berge zu verletzen.
Doch auch die Erfordernisse der Verteidigung hatten die Erbauer
Belhadans nicht vernachlässigt. Man hatte Mauern errichtet, ebenso
gewaltig wie die der Roten Lords um Bortalik. Sie erhoben sich hin
ter den geschäftigen Kais und Hafenanlagen. Der große Stützpunkt
der Königlich-Kaiserlichen Marine wurde von einer eigenen Mauer
geschützt, ebenso wie die winterleeren Werften. Eine Piratenflotte
mochte vielleicht in den Hafen einfallen können, falls sie groß genug
war, aber keine Flotte konnte diese Wälle überwinden, solange die
Verteidiger genug Menschen
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