Weber David - Schwerter des Zorns - 2
ihm, die noch kein Gegner je
in ihm ausgelöst hatte. Der Hradani schaute ihn jedoch nur mit
demselben mitfühlenden Blick an und senkte die Klinge, bis ihre
Spitze die Deckplanken vor ihm berührte. Dann drehte er sie ein we
nig, so dass Vaijon sie deutlich erkennen konnte. Der junge Adlige
zitterte immer noch unter den Nachwirkungen dieser gänzlich uner
warteten Panikattacke, holte jedoch tief Luft und sammelte sich. Er
war ein Ritterproband vom Orden des Tomanâk, und was immer er
außerdem sein mochte, ein Feigling war er nicht. Also riss er sich
zusammen und betrachtete das Schwert. Unvermittelt beugte er sich
vor, und seine blauen Augen weiteten sich erneut, als er den ge
kreuzten Morgenstern und das Schwert sah, die unter der Parier
stange in die Klinge eingraviert waren.
Tiefes Schweigen hüllte ihn ein. Vaijon hatte noch nie ein Schwert
des Tomanâk gesehen. Diese Klingen waren das höchste Abzeichen
des Ordens, eine Waffe, die nur die mächtigsten Paladine tragen
durften, und gleichzeitig ein Symbol für den Gehorsam, den jedes
Mitglied des Ordens ihrem Besitzer schuldete. Selbst unter Paladi
nen waren solche Waffen verschwindend rar, denn man erhielt sie
nur aus der Hand Tomanâks Selbst. Und Er verlieh sie nur denen,
die sich als würdig erwiesen hatten, Ihm im Kampf zur Seite zu ste
hen. So selten sie jedoch auch sein mochten, es wusste dennoch jeder
Diener des Ordens bis hinab zum einfachsten Knappen, dass jede
Klinge eine besondere Macht in sich trug. Was der Hradani eben
vorgeführt hatte, es sagte Vaijon zusammen mit der glänzenden,
makellosen und unverletzlichen Vollkommenheit der Klinge und
den vollendet geätzten Insignien des Tomanâk, wen er da vor Au
gen hatte.
Einen Moment sah er trotz seines gebräunten Teints weißer aus als
der Schnee um ihn herum, doch gleich darauf färbte sich sein Ge
sicht dunkelrot. Trotzdem war es unmöglich. Hartnäckig beharrte
sein Gefühl darauf, dass dieser Hradani unmöglich ein Paladin des
Tomanâk sein konnte! Sein Verstand jedoch wusste es besser. Er
sagte ihm auch, dass er sich soeben zu einem kolossalen Narren ge
macht hatte.
Vaijon zwang sich, sich aufzurichten und sich zu räuspern, ohne
seine behandschuhte Hand vom Griff seines Schwertes zu nehmen.
Es war immerhin rein theoretisch möglich, dass diese Klinge das Er
gebnis einer hinterlistigen Hexerei war, doch das konnte Herr Char
row besser beurteilen. Für den Augenblick waren Vaijons Pflichten
eindeutig, und er zwang sich, dem Hradani offen ins Auge zu sehen.
»Ich bitte um Vergebung, dass ich Eure Identität in Frage gestellt
habe … Herr Bahzell«, stieß er hervor.
»Was das angeht, so wäre ich an Eurer Stelle sicherlich ebenso
überrascht gewesen«, antwortete Bahzell. »Was wohl auch der
Grund ist, aus dem Erselbst mir das Schwert gegeben hat. Er sah
voraus, dass ich einen schlagenden Beweis brauchen würde.« Sein
Grinsen entblößte seine geraden, weißen Zähne, die so kräftig wirk
ten, als könnten sie die Trossen der Windsbraut durchbeißen. »Au
ßerdem ist es überflüssig, mich mit ›Herr‹ und dergleichen anzure
den, mein Junge. Einfach nur Bahzell, das genügt vollkommen für
… meinesgleichen.«
»Aber …« begann Vaijon, schluckte jedoch herunter, was ihm auf
der Zunge lag, und rang sich ein kurzes Nicken ab. »Wie Ihr
wünscht, He… Bahzell. Wie ich schon sagte, übermittelt Euch Herr
Charrow Malahkai, Ritterhauptmann und Meister des Ordenskapi
tels des Tomanâk in Belhadan sowie Konstabler von Fradonia durch
Gnaden seiner Majestät, über mich seine Grüße und bittet Euch,
mich zum Ordenshaus zu begleiten, wo er selbst und Eure Brüder
vom Schwert Euch angemessen begrüßen und in ihrer Gemeinschaft
willkommen heißen werden.«
Er wusste, dass seine Stimme einen säuerlichen Unterton hatte,
auch wenn er sich noch so sehr bemühte, ihn zu unterdrücken, und
Bahzell neigte den Kopf, zuckte nachdenklich mit den Ohren und
schaute auf ihn herunter. Einige Sekunden verstrichen, dann schob
der Pferdedieb sein Schwert wieder in die Scheide auf seinem
Rücken und nickte zustimmend.
»Das ist so ziemlich das freundlichste Willkommen, das ich auf
meiner ganzen Reise erlebt habe«, bemerkte er. Die Ironie war gera
de so fein bemessen, dass Vaijon erneut tief errötete. »Ich nehme es
gern an. Vorausgesetzt natürlich, die Einladung schließt auch mei
nen Freund hier mit ein«, fuhr er fort und deutete mit einem Zucken
seiner Ohren auf Brandark.
Vaijon zögerte. Nahmen die
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