Weber David - Schwerter des Zorns - 2
mit
jedermann abschließen, der ihnen Stärke versprach. Wer wollte ih
nen das verdenken?
Aus diesem Grund hassten die Dunklen Götter Bahnak, denn er
würde seinem Volk dieses Gefühl der Hilflosigkeit und die Ver
zweiflung nehmen, falls seine Bemühungen Früchte trugen.
Bahzell fand nur merkwürdig, dass er all dies dreihundert Werst
von seiner Heimat entfernt so klar sah, und zwar unter den Men
schen einer Stadt, die Hradani allesamt für blutrünstige Barbaren
hielten. Vielleicht hatte er ja so weit reisen müssen, um dies erken
nen zu können. Vielleicht machte nur die Summe all dessen, was er
gesehen und erlebt hatte, seit er Navahk verließ, seinen Blick jetzt so
klar. Doch das spielte keine Rolle. Wichtig war nur, dass er es über
haupt begriff und damit einen weiteren Grund erkannte, aus dem
Tomanâk Orfro nach all den Jahrhunderten wieder einen Hradani
als Paladin auserkoren hatte.
»Ah, da seid Ihr ja endlich, Prinz Bahzell!«
Das absonderliche Trio bog gerade auf den steilen Hang ein, den
man immer noch Gerberhügel nannte, obwohl die Stadtväter schon
vor Jahrzehnten alle Gerbereien und ihren beißenden Gestank aus
der Stadtmitte Belhadans in das Fischerviertel am Hafen verbannt
hatten, als jemand sie anrief. Vaijon dämmerte erst nach einer Weile,
dass sie gemeint waren. Sie hatten das Ordenshaus schon fast er
reicht und er dachte angestrengt darüber nach, wie er den Torwäch
tern die Anwesenheit der beiden Hradani erklären sollte. Jetzt blieb
er stehen und drehte sich zu dem Sprecher um.
Der Mann kam mit forschen Schritten auf sie zu. Er trug einen
knielangen Mantel, was in Belhadan nicht ungewöhnlich war, wo
die meisten Menschen den Winter über solche Kleidungsstücke be
vorzugten. Sie waren zwar weniger modisch als Umhänge, und Vai
jon musste bei ihrem Anblick immer an Bankiers, Kaufleute und
Wucherer denken, doch sie waren auch wärmer und schlicht prakti
scher. Zudem wäre ihm diesmal nicht eingefallen, die Lippen ver
ächtlich zu verziehen, denn dieser Mantel bestand aus mitternachts
blauem Stoff mit weißen Säumen. Das waren die Farben der Magier,
und das goldene Szepter der Semikirk prangte auf der rechten
Brustseite dieses Umhangs. Was bedeutete, dass sein Träger einen
hohen Rang in der Akademie der Magier bekleidete. Der Mann
stand offenbar in der Blüte seiner Jahre, obwohl bereits silbrig glän
zende Strähnen das dichte braune Haar und den sauber gestutzten
Bart durchzogen. Er lächelte strahlend und hielt in der linken Hand
den traditionellen, glänzend-weißen Stab eines Magiers. Vaijon
schnappte nach Luft, als er den Mann erkannte.
Bahzell war ebenfalls stehen geblieben und spitzte fragend die Oh
ren, als der Fremde sich ihnen näherte.
»Euch auch einen guten Morgen«, sagte der Pferdedieb höflich
und neigte den Kopf. »Ich hoffe, Ihr verzeiht mir die Frage, aber
sollte ich Euch kennen?«
»Noch nicht.« Der Magier lächelte unbeirrt. »Mein Name ist Kres
ko. Ich bin der Großmeister der Magierakademie von Belhadan.«
»Was Ihr nicht sagt.« Bahzell kniff die Augen zusammen. Früher
einmal bedeuteten Magier und Hexer dasselbe, doch diese finsteren
Zeiten waren lange vorbei. Mittlerweile genügte schon der Verdacht
auf Hexerei, um gelyncht zu werden, was angesichts der Untaten
der Schwarzen Hexer in Kontovar durchaus verständlich war. Doch
so sehr man Hexerei auch verabscheute, so sehr begrüßte man Ma
gie. Im Gegensatz zu einem Hexer waren die Talente eines Magiers
die des Geistes, und er konnte seine Kraft nur aus sich selbst oder
aus einem anderen Magier ziehen, mit dem er zur Unterstützung
verbunden war. Sie konnten nicht wie die Hexer auf eine ungeheure
Macht zurückgreifen, die sie für ihre Zwecke zu lenken suchten.
Aber der wahre Grund, warum man den Magiern vertraute war das
Gelübde der Magie, der Kodex, der sie zwang, ihre Talente nur ein
zusetzen, um zu helfen und niemals, um zu schaden. Was sie beina
he zwangsläufig zu Todfeinden jedes Schwarzen Hexers machte.
»Doch, doch«, versicherte Kresko dem Pferdedieb jetzt. »Mistress
Zarantha hat uns berichtet, dass Ihr und Lord Brandark heute an
kommen würdet und hat uns gebeten, Euch von ihr zu grüßen. Be
dauerlicherweise war ihre Hellsichtigkeit nicht scharf genug, um
uns auch den genauen Zeitpunkt Eurer Ankunft zu verraten. Des
halb habe ich Euch am Hafen verpasst.«
Vaijon stand stumm abseits, hörte zu und versuchte, seiner neuer
lichen Verwirrung Herr zu werden. Meister Kresko war einer der
wichtigsten
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