Weber David - Schwerter des Zorns - 2
Überraschungen denn gar kein Ende?
Es war schon schlimm genug, einen Hradani in das Ordenshaus ein
zuladen, der vielleicht ein Paladin war … aber auch noch gleich einen
zweiten anzuschleppen, der höchst wahrscheinlich keiner war …
Angenommen jedoch, dieser Bahzell war, für wen er sich ausgab,
dann konnte er das Gastrecht auf jede beliebige Person ausdehnen.
Und immerhin hatte er dieses Schwert …
»Natürlich«, erwiderte Vaijon, konnte jedoch ein leises Seufzen
nicht unterdrücken. »Lasst Ihr Euch Euer Gepäck ins Ordenshaus
nachsenden?«
»Ich bin gerade ganz gut bei Kräften«, erwiderte Bahzell freund
lich. Er schulterte seinen ledernen Sack, hob die Arbalest mit dem
Stahlbogen von den Planken und strahlte seinen Führer an, wäh
rend Brandark sein eigenes Gepäck aufhob. »Wir nehmen es einfach
mit«, teilte Bahzell Vaijon mit. Der Ritterproband wollte etwas ein
wenden, zögerte und überlegte es sich dann doch lieber anders.
»Wenn Ihr und Euer … Gefährte mir dann bitte folgen würdet«,
sagte er und ging über die federnde Laufplanke voraus.
Bahzell und Brandark verabschiedeten sich von der grinsenden
Mannschaft der Windsbraut und folgten dem Jüngling dann fügsam
auf dem Fuß.
Die Hradani schwiegen, während Vaijon sie durch die Straßen Bel
hadans führte, worüber er recht froh war. So konnte er wenigstens
in Ruhe nachdenken, was in mehrerer Hinsicht ein sehr zweischnei
diges Unterfangen war. Aber wenigstens hatte er Gelegenheit, die
Konsequenzen abzuwägen, die ihm sein Verstand unermüdlich un
terbreitete, auch wenn er ihn lieber ebenfalls zum Schweigen ge
bracht hätte.
Es war sehr wohl möglich, dass Herr Charrow nicht mehr über
diesen »Paladin« gewusst hatte als Vaijon, aber der junge Proband
glaubte das nicht einen Augenblick lang tatsächlich. Vor allem ange
sichts der häufigen sanften Ermahnungen seines Meisters, was die
Gefahren zu großen Stolzes betraf, war seine Entscheidung, Vaijon
für diesen Auftrag auszuwählen zu spitzfindig, um bloßer Zufall zu
sein. Der junge Proband biss erbost die Zähne zusammen, als er
über diese unangenehme Tatsache nachdachte.
Er hätte sich gern an den Glauben geklammert, dass dieser »ein
fach nur Bahzell« und ein Hochstapler war, aber er wusste es besser.
Und es verbot sich für einen Kavalier, sich selbst zu belügen. Doch
es verbesserte seine Lage nicht gerade, wenn er diese Wahrheit zu
gab. Paladine wurden vom Gott selbst auserkoren. Sie waren Seine
wahren Schwerter, eine erhabene Schar, und es gab vermutlich in
ganz Norfressa nie mehr als höchstens zwanzig Paladine zur glei
chen Zeit. Wie konnte Tomanâk eine solche Ehre nur an einen unge
bildeten, blutrünstigen, barbarischen Hradani verschwenden?
Alles in Vaijon kreischte bei dieser Vorstellung vor Empörung,
doch im selben Augenblick verkrampfte sich etwas in seinem Inne
ren vor Missbilligung. Er hatte nicht das Recht, die Entscheidungen
des Gottes in Frage zu stellen, dem er diente. Schlimmer noch: das in
ihm, was Herr Charrow so mühsam zu erreichen suchte, dieser win
zige, verschüttete Teil seines Wesens, der den Ruf des Gottes der
Gerechtigkeit selbst durch den Hochmut des Hauses Almerhas hin
durch vernommen hatte, wusste, dass jeder Protest dumm war. Der
Orden lehrte: weder Abstammung noch Herkunft noch Familie
schufen einen wahren Ritter. Das Einzige, was zählte, war die Sache
der Gerechtigkeit, und die wahre Stärke eines Ritters kam von in
nen. Wenn all das schon auf die Ordensritter zutraf, wie viel mehr
galt es dann wohl für die auserwählten Paladine des Gottes?
Die leise innere Stimme in Vaijons Hinterkopf ließ ihm keine Ruhe
und schalt ihn für seine Blindheit. Jedoch flüsterte sie nur – und sei
ne Jugend und sein Stolz übertönten sie. Er versuchte wirklich, sei
ner Verwirrung Herr zu werden und endlich zu begreifen, aber sei
ne eigene Stärke und sein Eigensinn wendeten sich in diesem Kampf
gegen ihn. Widerwillen und Verwirrung kochten knapp unter der
vorgetäuschten Fassade der Höflichkeit, die die Erziehung dieses
Jünglings nach wie vor der Welt zeigte.
Brandark warf einen Blick auf den stocksteifen Rücken ihres Füh
rers, schaute dann Bahzell an, verdrehte vielsagend die Augen und
legte die Ohren an. Seine mutwillige Miene verriet dem Pferdedieb,
dass er gerade überlegte, wie er Vaijon ärgern könnte. Und obwohl
sich Bahzell gern zurückgelehnt und zugesehen hätte, gewann seine
ernste Seite die Oberhand. Brandark zuckte nur mit den
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