Weber David - Schwerter des Zorns - 3
wenigstens als jemand
geachtet, den man sich nicht zum Feind machen möchte. Doch obwohl sie so unbeliebt sind, würde sich niemand, nicht einmal der
glühendste Traditionalist, freiwillig mit ihnen anlegen.«
»Aber im Augenblick macht jemand genau dies?«, fragte Kaeritha.
»Das kommt darauf an, welcher Version Ihr Glauben schenken
wollt«, antwortete Tellian. »Laut den ansässigen Lords unternehmen
die Kalathaner ständig Übergriffe auf ihr Territorium, die nicht von
der Stadtcharta gedeckt werden, und sie verhalten sich jeglicher
friedlichen Lösung dieser Probleme gegenüber ›feindselig‹ und abweisend. Nach den Berichten der Kriegsbräute dagegen haben die
örtlichen Lords, unter ihnen vor allem Trisu von Lorham, das ist der
mächtigste von ihnen, nach und nach die Rechte beschnitten, die ihnen seit Jahrhunderten von der Charta garantiert werden. Dieser
Streit geht schon lange, aber solche Zwistigkeiten kommen immer
wieder vor. Vor allem, wenn die Kriegsbräute drin verwickelt sind.
In Kalatha gestaltete sich die Lage jedoch schlimmer, was vermutlich unausweichlich war. Kalatha ist zwar nicht die größte Freistadt
oder Siedlung der Kriegsbräute, aber es ist doch ihre älteste, dank
meines prinzipientreuen Vorfahren. Ich rede mir gern ein, dass ihm
nicht klar war, was für einen Schlamassel er seinen Nachkommen
damit hinterlassen hat. Sollte das allerdings zutreffen, dann wäre er
dümmer gewesen, als mir lieb ist.«
Kaeritha wollte gerade eine Frage stellen, überlegte es sich jedoch
anders, als sie den Ton des Barons bemerkte. Er war zwar nicht bissig oder verbittert, aber er hatte doch einen säuerlichen Beigeschmack. Statt ihre Frage zu stellen, nickte sie nur.
»Ich glaube auch, dass dies kein erderschütterndes Problem ist«,
sagte sie. »Andererseits muss ich irgendwo anfangen, und Kalatha
klingt wie ein sehr geeigneter Ort dafür. Vor allem, da jeder von Tomanâks Paladinen seine oder ihre besonderen… Fähigkeiten besitzt.«
Tellian sah sie verständnislos an und Kaeritha lachte.
»Von jedem von uns wird erwartet, dass er jede Pflicht erfüllt, die
er Seinen Paladinen abverlangt, Milord. Aber wir haben alle unsere
eigenen Persönlichkeiten und Fähigkeiten. Das bedeutet, ein jeder
von uns fühlt sich mit bestimmten Aspekten von Ihm Höchstselbst
wohler. Bahzell zum Beispiel dient Tomanâk am besten in Seiner
Rolle als Kriegsgott, obwohl er Ihm auch ziemlich wertvolle Dienste
in Seiner Eigenschaft als Waagenmeister – als Gott der Gerechtigkeit
– geleistet hat. Jedenfalls für jemanden, dessen Spezialität es ist, Dinge und Menschen gründlich auseinander zu nehmen.«
Sie grinste Bahzell an, der ihren Blick beinahe leutselig erwiderte.
Doch dies verhieß nichts Gutes für ihre nächste Begegnung auf dem
Übungsplatz.
»Mein eigener Grund, in Seinen Dienst zu treten«, fuhr sie rasch
fort und konzentrierte sich lieber wieder auf Tellian, »war eher mein
brennender Durst nach Gerechtigkeit.« Sie hielt nachdenklich inne,
und ihre Augen verdunkelten sich, als alte und schmerzliche Erinnerungen in ihr hochstiegen. Sie riss sich mit einem kurzen Schütteln
davon los. »Das war schon immer der Aspekt von Ihm Höchstselbst,
der mir am meisten lag oder dem zu dienen mich jedenfalls am
glücklichsten gemacht hat. Meine Talente und Fähigkeiten scheinen
dafür auch am besten geeignet zu sein. Falls es also einen juristischen Disput zwischen Kalatha und den benachbarten Adligen geben sollte, scheint diese Stadt der geeignetste Ort, um meine Suche
zu beginnen. Könnt Ihr mir eine Landkarte geben, damit ich mir den
Weg dorthin suchen kann?«
»Ich habe noch etwas viel Besseres für Euch, Milady«, versicherte
ihr Tellian. »Kalatha mag ja die Kroncharta als Freistadt besitzen,
aber Trisu und seine Nachbarn sind meine Vasallen. Wenn Ihr mit
Eurer Abreise bis zum Ende der Woche warten könnt, werde ich einige zusätzliche Erkundigungen einziehen und Euch mit so viel
Wissen versorgen, wie es mir nur möglich ist. Natürlich werde ich
Euch Empfehlungsschreiben und Instruktionen an die Lords mitgeben, in denen ich sie auffordere, während Eures Besuches rückhaltlos mit Euch zusammenzuarbeiten.«
»Danke, Milord«, erwiderte Kaeritha förmlich. »Das wäre ganz
ausgezeichnet.«
6
A H , DA BIST DU JA , Leeana.«
Leeana war nicht gerade leise durch den Korridor gestapft. Jetzt
blieb sie stehen und sah sich um.
Obwohl sich die dunkelhaarige Frau in der offenen Tür schwer auf
den ebenholzschwarzen Gehstock mit
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