Weber David - Schwerter des Zorns - 3
sich zurück und lächelte ihre Assistentin liebevoll an.
In allen praktischen Belangen diente ihr Sharral als stellvertretende
Domina, obwohl die Stadtcharta kein solches Amt vorsah. Sie kannten sich, seit sie Mädchen waren, obwohl Yalith in Kalatha geboren
worden, und Sharral bereits fünf Jahre alt gewesen war, als ihre
Mutter zu den Kriegsbräuten gegangen war. Ahnlar Geramahnfressa hatte mehr Glück gehabt als viele andere. Sharral war ihr einziges
Kind. Oft war es eine schwierige und zumeist schmerzliche Angelegenheit, wenn eine Frau mit Kindern zu den Kriegsbräuten flüchtete.
Dass Mütter Kriegsbräute wurden, war eher ungewöhnlich, weil
deren Charta den Müttern keinerlei rechtliche Handhabe gewährte,
ihre Kinder weiter zu erziehen, ja, sie auch nur zu besuchen, nachdem sie von ihrer Familie getrennt wurde. Von daher gingen nur
selten – und wenn doch, dann zumeist verzweifelte – Mütter das Risiko ein, jede Verbindung zu ihren Kindern zu verlieren, ganz
gleich, wie unerträglich ihr Leben ihnen vorkommen mochte.
Dennoch wurde einer verblüffend großen Zahl von Müttern gestattet, ihre Töchter mitzunehmen. In den meisten Fällen sagte das
alles über den Charakter der Väter aus, jedenfalls nach Yaliths Einschätzung. Diese Männer verzichteten nicht aus Freundlichkeit oder
Liebe auf ihre Kinder, sondern nur deshalb, weil diese Kinder bloß
Töchter waren, die bei weitem nicht die Bedeutung eines Sohnes besaßen. Und es verwunderte nicht, dass diese Frauen, die so unselig
gewesen waren, einen solchen Mann zu heiraten, bei der erstbesten
Gelegenheit die Flucht ergriffen.
Unabhängig davon, wie sich die Ehefrauen fühlten, hatte sich Yalith immer gefragt, wie wohl jemand wie Sharral empfand, wenn sie
darüber nachdachte. Wie fühlte sich das Wissen an, dass man dem
Mann, der einen gezeugt hatte, weniger bedeutete als ein altes Paar
Schuhe? Fühlte man sich zurückgestoßen, weggeworfen wie irgendetwas Unwichtiges, das man leicht ersetzen konnte? Oder dankte
man jeden Morgen Lillinara, dass man jemandem entkommen war,
der so wenig für sein eigenes Fleisch und Blut empfand? Yalith
wusste, was sie selbst von solchen Menschen hielt, aber ihr war auch
klar, dass der Verstand und das Herz häufig dazu neigten, höchst
unvernünftig zu sein.
»Wenn ich der Meinung wäre, ich könnte Balcartha auf sie loslassen, dann würde ich ihr noch lieber dich auf den Hals hetzen, Sharral«, erwiderte die Domina. »Das würde ich wirklich zu gern mit ansehen. Aber es ginge vielleicht ein wenig weit, eine Fünfhundert,
noch dazu die Kommandeuse der Stadtwächterinnen, auf eine einfache Fünfzig zu hetzen. Jedenfalls nicht ohne eine eindeutige Provokation.«
»Weit?«, schoss Sharral verächtlich zurück. »Balcartha ist die Kommandeuse der Stadtwächterinnen, und Soumeta ist eine ihrer Amazonen, noch dazu eine Junior-Amazonin, Yalith. Eine Junior-Amazone, die mich eben belogen hat, um sich einen Termin bei dir zu erschleichen! Für mich ist das ein eindeutiger Verstoß gegen die Disziplin, und wenn selbst Balcartha Soumeta deshalb nicht rösten kann,
wer dann?«
»Genau das ist der Punkt, findest du nicht?« Yalith verzog in einem Anflug von Lächeln den Mund. »Soumeta ist nicht aus eigenem
Antrieb hier, und das weiß sie. Außerdem hat sie vielleicht sogar
Recht.«
»Vielleicht ist sie auch ein gefährlicher, überheblicher, hitzköpfiger, voreingenommener und aufsässiger Idiot mit der Moral eines
läufigen Frettchens, dem Appetit einer Gottesanbeterin und ganz
und gar verblendet von ihrer eigenen Wichtigkeit!«
»Nach all den Jahren brauchst du mir gegenüber kein Blatt mehr
vor den Mund zu nehmen, Sharral.« Yalith lachte barsch. »Sag mir
einfach, was du wirklich von ihr hältst.«
»Verdammt, das war kein Witz, Yalith!« Sharral stieß beide Hände
in die Luft.
»Nein, natürlich nicht.« Yalith wurde ernsthafter. »Aber ob es uns
gefällt oder nicht, Soumeta spricht nur aus, was eine gefährlich
große Anzahl von anderen Kriegsbräuten denkt. Also kann ich nicht
zulassen, dass Balcartha oder du auf ihr herumtrampeln. Jedenfalls
nicht, ohne ihr zuvor noch etwas Leine zu geben. Ansonsten laufen
wir Gefahr, die Frauen, die ohnehin schon glauben, dass ich zu
nachgiebig bin, noch weiter von uns zu entfremden. Wie zum Beispiel Maretha und ihre Schar!«
Sharral presste die Lippen zusammen. Sie hätte der Domina gern
widersprochen, aber bedauerlicherweise hatte ihre Vorgesetzte
Recht.
»Na gut.« Sie seufzte. »Du hast
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