Wechsel-Wind
sie, und indem sie diese Worte sprach, verwandelte sie sich in ihr altes Selbst zurück. »Du kannst nun wieder tun, was du willst, und nimm meinen Dank. Aber wenn du hier warten würdest, bis ich mit meiner Familie hierher zurückkehre, dann würde ich mich wirklich freuen. Es war so toll, Nimby.« Ihre Verwandlung entfaltete noch nicht die volle Wirkung, deshalb war sie nach wie vor freundlich. Dann wandte sie sich abrupt um und marschierte davon. Sie sah nicht zu ihm zurück, denn sie fürchtete, sie würde zusammenbrechen und ihn bitten, ihr zu geben, was sie für unmöglich hielt: Schönheit, Klugheit, Gesundheit und Freundlichkeit für ein ganzes Leben.
Und so verlor Nimby die Fähigkeiten der Bewegung und der Magie. Alles, was ihm blieb, war das Wissen um alle Vorgänge, Wesen und Dinge in Xanth, aber nun konnte er sie in keiner Weise mehr beeinflussen. Er war zu einem eselsköpfigen Wrack geworden, und so würde er bleiben, bis er verweste, es sei denn, Chlorine vergoß um seinetwillen ihre eine verbliebene Träne. Warum sollte sie das tun, wo sie doch wußte, daß sie dann blind würde?
Der Dämon X(A/N) th war deprimiert, denn er stand kurz davor, seine Wette zu verlieren, seinen Status und seine Domäne. Ein anderer Dämon würde Xanth übernehmen und es verändern oder vernichten, denn kein anderer Dämon liebte das Land so, wie X(A/N) th es liebte. Denn nur er hatte es wirklich kennengelernt, und nur deshalb bedeutete es ihm so viel. Und darin lag eine weitere Ironie, denn er hatte sich Chlorine verliebt.
Natürlich war ihm klar, daß die schöne, kluge, gesunde, freundliche Ausgabe von Chlorine das Produkt seiner eigenen Zauberei war. Im wahrsten Sinne des Wortes hatte er sie erschaffen, aber nach ihren Maßgaben, ihren Wünschen. Sie war, als sie die Möglichkeit erhielt, zu der Frau geworden, die sie gerne gewesen wäre; sie hatte ihre Schwächen gekannt und gezielt behandelt, um sie zu eliminieren. Die Chlorine, die in den letzten Tagen gelebt hatte, war die Chlorine, zu der sie ohnehin geworden wäre, hätte sie eine andere Chance gehabt. Und X(A/N) th liebte Chlorines Ideal. Sie war einfach die perfekte Frau – in jeder Hinsicht, außer einer, an die sie nicht gedacht hatte: ihr fehlte das Vermögen zu lieben. Ihr hartes Leben hatte all ihre Tränen davongespült, bis nur noch ein Fünkchen ihrer Seele übriggeblieben war. Und daher erwiderte sie seine Liebe nicht. Das wußte er deshalb so genau, weil er ihren Geist besser kannte als jeder andere. Ohne diese Liebesfähigkeit würde Chlorine niemals für jemand anderen als sich selbst eine Träne vergießen.
Vor diesem Abenteuer hatte auch X(A/N) th selbst nicht die Bedeutung der Liebe gekannt. Er hatte sich für niemandes Belange interessiert, nur für seine eigenen Wünsche und die Konkurrenz um einen Status unter den Dämonen. Doch um Chlorines Liebe zu erringen, hatte er die Liebe begreifen müssen und dabei gelernt, wie man liebt.
Dieser Lernprozeß war weder einfach noch abrupt gewesen, denn Chlorine selber begriff die Liebe nicht wirklich. Sie hatte geglaubt, daß Liebe sich mit Schönheit und Freundlichkeit automatisch einstellt. Sie hatte sich geirrt; solche Dinge erleichtern der Liebe höchstens die Arbeit. Sie hatte also ihre Kunst geübt, indem sie junge Männer dadurch bezauberte, daß sie ihnen neckisch Teile ihrer Haut oder ihrer Wäsche zeigte. Auch Nimby hatte sie zu necken versucht, und in der Tat war sie recht faszinierend gewesen; er hätte schon gern mit ihr den Storch gerufen. Aber Storche bedeuteten nicht wirklich Liebe: sie stellten eher Reisebegleiter dar. Es konnten Störche ohne Liebe gerufen werden, und es gab Liebe ohne Störcherufen. Diesen Unterschied hatte auch Chlorine schließlich erkannt und daher die Bemühungen beendet. In dieser Entscheidung lag der Keim dessen, was ihr noch fehlte. Sie hatte begriffen, daß sie ihn ausreichend mochte, daß ihr beim Spiel unbehaglich zumute war, aber nicht erfaßt, wonach sie wirklich suchte.
Die Mundanierfamilie Carlyle war es, die X(A/N) th s Aufmerksamkeit auf die immense potentielle Tiefe und das mögliche Ausmaß der Liebe gelenkt hatte. Die Liebe der Kinder zu ihren Tieren und Marys Liebe zu ihren Kindern – nichts davon hatte irgend etwas mit Störchen zu tun und war dennoch auf subtile Weise ebenso tiefgreifend. Jedes Mitglied der Familie war bereit zu sterben, um einen Angehörigen zu beschützen. Nicht allen war das so bewußt wie David, aber das änderte
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