Wechsel-Wind
Elixier.« Er zückte eine Phiole und träufelte daraus einige Flüssigkeitstropfen auf den Motor. Karen verkniff sich ein Grienen; sie wußte zwar rein gar nichts über Motoren, aber sie war sich sicher, daß das überhaupt nicht wirken würde. Die Jungen, so sah sie, reagierten nicht anders.
Dad startete wieder den Anlasser – und der Motor sprang an. Er lief nicht nur, er schnurrte förmlich.
Mit einemmal standen etliche Münder weit offen. »Also entweder ist das ein ganz irrer Zufall«, sagte Sean, »oder…«
Dad stieg wieder aus; den Motor ließ er laufen. »Was hast du getan?« fragte er. »Plötzlich läuft er eins a.«
»Ich habe nur etwas Heilelixier darauf gesprenkelt«, antwortete Carleton. »Normalerweise hat es so gut wie keine Wirkung auf Unbelebtes, aber dein Motor scheint zu leben, und mir fiel nichts anderes ein. Ich bin froh, daß es geholfen hat. Euer Haus sollte euch nun keine Schwierigkeiten mehr machen, weil es wieder ganz gesund ist.« Er runzelte die Stirn. »Allerdings verstehe ich immer noch nicht, wie es sich denn bewegen soll.«
»Paß auf«, sagte Dad und stieg wieder ein. Einen Augenblick später rollte das Wohnmobil los. Es fuhr einen Kreis und hielt auf der Stelle an, von der es losgefahren war. Dann verstummte der Motor. »Es hat keinen Sinn, Benzin zu verschwenden, bevor wir aufbrechen«, sagte Dad beim Aussteigen.
»Das ist ja phänomenal!« rief der Zentaur beeindruckt.
»Ein fahrendes Haus. So etwas habe ich noch nie gesehen.«
»Es scheint hier auch keine asphaltierten Straßen zu geben«, warf Mom besorgt ein. »Und keine Brücken. Wir können also nirgendwohin fahren.«
»Ich glaube, auf dem Festland gibt es eine Landstraße«, meinte Carleton. »Dummerweise ist das aber eine Mautstraße, die den Trollen gehört, und ihr müßt sie an jeder Ecke bezahlen.«
»Ach, an Autobahngebühren sind wir gewöhnt«, antwortete Dad. »Aber wie kommen wir aufs Festland?«
»Uns wäre es eine Freunde, euch überzusetzen. Wir können um die Mittagszeit eine Fähre bereit haben.«
»Aber der Wind ist immer noch so stark«, wandte Mom ein, die sich wieder Sorgen machte. »Das wäre eine gefährliche Überfahrt.«
»Damit kommen wir schon zurecht.« Carleton sprach in dem gleichen Tonfall, mit dem er schon Karen bezüglich des Reitens beruhigt hatte.
Mom sah zweifelnd drein, erhob aber keinen Einwand. Also trottete der Zentaur davon und überließ es ihnen, sich reisefertig zu machen.
Dad schüttelte den Kopf. »Ein unglaublicher Tag«, sagte er. »Ich bin froh, wenn wir erst auf dieser Landstraße sind.«
Die anderen stimmten ihm zu. Die Zentauren schienen ja ganz freundlich zu sein, aber die ganze Geschichte war doch überaus merkwürdig. Karen freute sich schon darauf, ihren skeptischen Freundinnen zu Hause zu erzählen, wo sie gewesen waren. Man würde ihr kein einziges Wort glauben; dadurch machte es erst recht Spaß.
Pünktlich zur Mittagszeit schwamm ein großes Floß heran. An jeder Ecke stand ein kräftiger Zentaur. Carleton und Sheila Zentaur galoppierten gleichzeitig aus dem Dorf herbei. Erneut drohten den Jungen beim Anblick der Jungstute die Augen aus dem Kopf zu fallen, und selbst Dads Miene wirkte ein wenig angestrengt. Mom preßte die Lippen kaum merklich zusammen – das war ein schlechtes Zeichen. Karen war sehr empfänglich für fast unmerkliche Signale; dadurch bekam sie weniger häufig Ärger, als sie es verdiente. Deshalb verzichtete sie jetzt auch darauf, loszukichern.
»Ich dachte, ihr würdet sicher gern etwas zu Essen mit auf den Weg nehmen«, sagte Sheila und reichte ihnen eine große Tüte, auf der LECKEREIEN geschrieben stand. »Noch mehr Milchschoten, Honigbrötchen, Feinkostkäfer…«
»Käfer?« fragte David erstaunt.
Sie holte etwas aus der Tüte hervor, das in der Tat wie ein großer Käfer aussah, und reichte ihn David. Der roch daran und biß dann zaghaft ein Ende ab. »Schmeckt nach Schokolade!« rief er erfreut.
»Ich könnte mich in dieses Fohlen richtig verlieben«, sagte David, aber sein Blick haftete nicht auf dem Feinkostkäfer. Sheila warf ihre prächtigen braunen Haarsträhnen/Mähne zurück und lächelte ihn nicht im geringsten verschämt an.
Das Floß landete. »Jetzt müßt ihr euer Hauswesen an Bord bringen, und dann werden wir euch hinüber zum Festland bringen«, erläuterte Carleton. »Ich habe mit dem Guten Magier kommuniziert, und er versprach, euch eine Führerin zu schicken. Sie wird mit ihrem Begleiter am
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