Wechsel-Wind
über die Autofenster und überzogen sie mit psychedelischen Regenbögen. Durch die Schlitze der beinahe ganz geschlossenen Fenster strömte Nebel ein.
Dann schien einiges von dem Wasser David in die Augen zu geraten – nein, es schoß ihm aus den Augen! Er weinte – und wußte nicht, warum. Er schaute sich um und sah blinzelnd, daß allen außer Nimby und Chlorine Tränen aus den Augen rannen. Selbst Dad schneuzte sich. Was war denn jetzt passiert?
»Sind wir etwa durch ein Zwiebelfeld gefahren?« wollte Karen wissen. »Oder sind das die Nachwirkungen der Weinstube?«
»Ich kann ein Schild sehen«, sagte Mom. »Darauf steht, daß wir gerade den Tränenfluß überqueren.«
»Den Tränenfluß«, wiederholte Chlorine. »Das erklärt natürlich alles. Die Weinstube benutzt das Flußwasser, um ihren Wein zu machen. Aber wir müssen den Fluß doch bereits bei der Hinfahrt überquert haben. Warum haben wir da nicht geweint?«
»Weil er da noch nicht überflutet war«, erklärte Dad. »Ich habe nämlich von der Brücke aus einen fast versiegten Wasserlauf gesehen. Wir sind darübergefahren, bevor wir etwas bemerkten.«
Der Wagen bremste wieder ab. David sah auch, wieso: das Wohnmobil hielt am Rand des überschwemmten Straßenabschnitts. Pechschwarzes Wasser schwappte über die Fahrbahn. Anscheinend war es zu tief und die Strömung zu stark, um hindurchzufahren.
»Ich begreife nicht, wie die Flut so schnell und so hoch ansteigen konnte«, sagte Dad. »Unter der Brücke war noch viel Platz. Sicher, es hat immer weiter geregnet, aber es hätte viel länger dauern müssen, bis das Wasser um drei Meter steigt.«
Nimby schrieb etwas. Er reichte den Zettel David, der ihn vorlas. »Nimby sagt, daß die Kobolde den Fluß gleich neben der verzauberten Straße gestaut haben. Deswegen konnte das Wasser so schnell ansteigen.«
»Kobolde! Das hätte ich mir denken können. Können wir etwas dagegen unternehmen?«
Nimby schrieb noch eine Nachricht. ›»Deswegen habe ich die Knallfrösche geholt‹«, las David vor. ›»Wir müssen den Damm in die Luft sprengen, und dann wird die Straße wieder frei sein‹.«
»Aber werden die Kobolde uns nicht angreifen, wenn wir zum Damm gehen?« fragte Mom besorgt.
›»Wir werden auf der Straße bleiben und die Frösche zu Damm treiben lassen‹«, las David vor.
»Aber die Frösche könnten über den Damm geschwemmt werden, bevor sie explodieren«, wandte Sean ein. »Wir sollten sie an ein Seil binden.«
»Na, dann los«, meinte Dad. Der Regen ließ nach und wurde zu einem leichten, windgepeitschten Tröpfeln. Dad, Mom, Nimby, Chlorine und Sean stiegen aus. »Ihr Kinder bleibt im Wagen«, rief Sean herablassend über die Schulter.
David und Karen ließen sich in der offenen Tür an der Seite des Wohnmobils nieder und sahen den Erwachsenen nach. Farbige Nebel krochen über die Landschaft und erschufen ein hübsches senkrechtes Streifenmuster.
Fröhlich schlug eine Glocke. »He, das will ich sehen!« rief Karen und sprang aus dem Wohnmobil. »Das klang wie eine Kuhglocke.«
»Nein, wir sollen hierbleiben«, ermahnte David sie. »Draußen ist es gefährlich.«
»Auf dem verzauberten Weg? Pah!« Dem Glockenklang folgend, rannte sie die Straße hinab in die Richtung, aus der sie gekommen waren. Karen liebte Glocken und mußte jede einzelne sehen, die sie hörte. Tweeter saß in ihrem Haar und zwitscherte warnend, aber sie beachtete ihn nicht.
David war zwischen dem Drang, ihr zu folgen, und beim Wagen zu bleiben, hin und her gerissen. Er fand einen Kompromiß.
»Woofer, lauf ihr hinterher und sorge dafür, daß ihr nichts geschieht.«
»Wuff!« antwortete der Hund und schoß davon.
Dann hörte David ein lautes, pulsierendes Trommeln, daß ihm bis ins Zentrum des Schädels zu dringen schien. Welche Trommel würde solch einen Laut machen? David liebte Trommeln, weil man auf ihnen mit wenig Aufwand sehr viel Lärm machen konnte.
Bevor David sich dessen bewußt war, folgte er bereits dem Geräusch zu seiner Quelle. Aber Midrange lief ihm nach. »Miau!« schrie der Kater warnend.
Das klärte David den Kopf. Er beging den gleichen Fehler wie Karen – er lief dem ersten interessanten Geräusch hinterher. Das war gefährlich, denn es kam von der Seite der Straße – von außerhalb des beschützten Bereichs. David blieb stehen. Aber immerhin zögerte er lange genug, um einen Blick in die Büsche zu werfen, und da sah er die Quelle des Trommelns: ein riesiges Ohr. Ein Trommelfell! Kein
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