Weck mich am Arsch!
vermutlich der Tatsache, dass in einem Atomkraftwerk, genauso wenig wie in einem Krankenhaus oder einer anderen lebenswichtigen Institution das Wochenende eine Rolle spielt. Die Menschen, die dort arbeiten, haben nicht unbedingt samstags und sonntags frei, von daher ist der Montag für sie auch nicht so deprimierend und von ihnen geht wohl kein Sicherheitsrisiko aus. Bei Ãrzten gilt das allerdings nur für diejenigen, die in Krankenhäusern arbeiten. Der Diagnose eines niedergelassenen Mediziners würde ich an einem Montag genauso wenig trauen, wie ich auf die Idee käme, mir montags in einer Privatklinik Fett absaugen oder die Nase richten zu lassen. Auch den Rat meines Anwaltes suche ich lieber zwischen dienstags und freitags. Egal was für einen ausgeschlafenen Eindruck er mir sonst auch machen mag, an einem Montag trau ich ihm nicht über den Weg.
Denn es liegt eben nicht am Bildungsgrad, wie mies man sich montagmorgens fühlt, sondern einzig und allein am verwirrten Biorhythmus. Daran kann auch kein Hochschulstudium etwas ändern. Das wird am deutlichsten, wenn man sich einmal zu Wochenbeginn an einer Universität umschaut. Vor Einführung der Bachelor- und Master-Studiengänge herrschte dort am frühen Montagmorgen gähnende Leere. In den Seminaren und Vorlesungen saÃen höchstens ein paar Streber, die gar nicht merkten, wie widerwillig ihr Professor gerade unterrichtete. Heutzutage ist es montags dort zwar genauso überfüllt, wie an anderen Wochentagen, aber zu den widerwillig lehrenden Professoren gesellt sich nun eine groÃe Zahl ebenso widerwillig lernender Studierender. Wen sollte das auch wundern? Die künftige Bildungselite unseres Landes besteht schlieÃlich nicht aus Robotern, es sind normale Menschen mit normalem Biorhythmus â und ganz normalem Monday Morning Blues .
Dabei sollte der Montag oder Mondtag, der dies lunae , doch eigentlich ein Festtag sein, ein Feiertag zu Ehren der Mondgöttin Luna. Jener Göttin, die uns Langschläfern besonders nahesteht, spendet sie doch für unsere nächtliche Aktivität freundlicherweise ihr Licht. Darüber hinaus ist sie ein extremes, aber leuchtendes Vorbild in Sachen Schlafverhalten. Sie legt sich schlieÃlich schlafen, sobald ihr Bruder, der Sonnengott, sein Haupt erhebt, und steht meistens erst wieder auf, wenn dieser nicht mehr zu sehen ist. Dasselbe sollte eigentlich jeder an ihrem Ehrentag tun: Schlafen, so lange es nur irgend geht. Anstatt dessen muss man Montag für Montag feststellen, dass das Wochenende wieder viel zu kurz war und die ganze Plackerei von vorn losgeht.
Ãbrigens war der Montag nicht immer der erste Tag der Woche. Bis vor Kurzem, genauer gesagt bis 1976, begann die Woche bereits am Sonntag. Das Deutsche Institut für Normung hat dem jedoch in aller Gründlichkeit ein Ende gesetzt. Mit der Einführung der DIN 1355 wurde der Montag zum ersten Tag der Woche und damit gleichsam Vorbild für alle anderen Werktage. Von daher scheint es besonders wichtig, dass man sich montagmorgens kollektiv aus dem Bett quält. Wo kämen wir denn hin, wenn man das Wochenende etwas ausdehnen würde, wenn sich unsere Gesellschaft mit ihrer gewohnten Geschäftigkeit bis zum Montagmittag Zeit lassen würde? Am ersten Werktag der Woche hat jeder ein klares Bekenntnis zu Strebsamkeit und Fleià abzugeben. Wer dabei nicht mitmacht, wird misstrauisch beobachtet.
Dabei war es in kleinen Handwerksbetrieben bis vor einigen Jahrzehnten noch gang und gäbe, die Woche langsam beginnen zu lassen. Am »blauen Montag« arbeitete man nur mit halber Kraft, fing erst später an oder ging überhaupt nicht zur Arbeit, so wie es die Frisöre, viele Gastronomiebetriebe und Museen heute noch handhaben. Vom »blauen Montag« stammt auch unser heutiges »Blaumachen« ab und trotzdem, oder vielleicht gerade deswegen, gerät diese schöne Tradition immer mehr in Vergessenheit. Dabei zeigt doch das Beispiel der Frisöre, dass es der Volkswirtschaft nicht schadet, wenn ein ganzer Wirtschaftszweig einen Tag lang »blau« macht. Was würde es kosten, auf etwas betriebsame Hektik zu verzichten, um stattdessen der Mondgöttin ein bisschen Schlaf zu opfern? Wahrscheinlich würde man sogar Geld sparen, weil plötzlich alle viel gesünder leben. Denn die Folgen von zu wenig Schlaf sind, wie im letzten Kapitel gesehen, aus medizinischer Sicht verheerend.
Doch
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