Weddingplanerin mit Herz (German Edition)
Stinksauer ziehe ich mich zurück durch mein Fenster, schiebe den Stuhl weg und mime mit verschränkten Armen die Türsteherin.
Manche Nachteile haben auch Vorteile. Das Essen ist bei den bisherigen Hochzeiten stets sang- und klanglos an mir vorbeigezogen. Wir Angestellten müssen zwar, wenn die Veranstaltung über den ganzen Tag geht, nicht verhungern, das heißt aber leider nicht, dass wir von den Kaviarhäppchen, Perlhuhnbrüstchen und Hummerscheren etwas abbekämen. Die meisten Restaurantküchen stellen eine Platte mit belegten Broten hin oder es gibt ein Angestelltengericht wie Nudeln mit Tomatensoße. Manchmal ist das auch eines der schlichteren Buffetgerichte, um sich die doppelte Arbeit zu sparen. Von den teuren Leckereien gibt es nur, wenn Reste übrig bleiben. Nicht von den abgegessenen Tellern der Gäste übrigens, das fände ich eklig, sondern das, was am Buffet verschmäht wurde oder gar nicht erst aus der Küche aufgetragen werden musste, weil alle schon statt geworden sind. Auch für den Zugriff darauf gibt es eine Hackordnung, die sich relativ leicht aus der Nähe zur Nahrungskette ableiten lässt. Echt blöd für die Chauffeure, Kinderbetreuer und Roadies, es sei denn, sie haben ein gutes Verhältnis zur Küche.
Ich hätte theoretisch keine so schlechte Ausgangsposition, denn als Teil der arbeitenden Chefetage stündees mir zu, Kostproben zur Qualitätsprüfung zu nehmen. Madame Sandrine hat so gut wie jede ausgefallene Luxusköstlichkeit, die Caterer, Restaurants und Hotels anbieten, schon einmal gegessen, um den Paaren Empfehlungen aussprechen zu können. Madame ist eine gefürchtete Kritikerin, deshalb geben die Köche richtig Gas, wenn sie ihren Besuch ankündigt, denn sie entscheidet über den Umsatz des nächsten Jahres mit. Keiner will ein Schicksal wie Kalit. Bei den Probeessen in den vornehmen Läden war ich leider noch nie dabei. Aber zu zwei Cateringfirmen hat Madame mich schon mitgenommen.
Der mit der regionalen Küche war sehr gut, hat meinen Geschmackshorizont aber nur bedingt erweitert. Trotzdem ist es wichtig, so jemanden im Repertoire zu haben, habe ich gelernt, weil manche Paare es bewusst schlichter halten wollen. Understatement. Das habe ich ja bislang anders erlebt! Doch wir richten manchmal auch Feiern zu Silbernen und Goldenen Hochzeiten aus und ältere Herrschaften haben oft weniger überkandidelte Essenswünsche. Nach den paar Monaten habe ich noch nicht jeden Hochzeitstypus mitbekommen. Immerhin habe ich bei dem zweiten Caterer meinen ersten Kaviar probiert. Brauche ich kein zweites Mal! Für die Umweltsünde mag ich ihn nicht genug. Kaviar schmeckt, wie Meerwasser riecht. Ein bisschen salzig, ein wenig algig, ziemlich fischig und viiieel Lärm um wenig! Geschmäcker sind verschieden, aber um Fischeier so einen Hype zu machen finde ich trotzdemsehr übertrieben. Dafür würde ich für Hummer selbst zum Meeresgrund tauchen, um mir einen zu fangen! Ob ich ihn lebend in einen Kochtopf mit heißem Wasser werfen könnte, wage ich wiederum zu bezweifeln.
Mann, ist mir langweilig, ich denke sogar übers Kochen nach, obwohl ich kaum mehr als Spaghetti zustande bringe! Aber ich habe Hunger! Das liegt an dem verführerischen Geruch, der sich hinter mir im Saal ausbreitet. Ich beschließe, meine Türsteherposition zu verlassen. Sollte die Gestreifte auftauchen, kann ich sie auch vom Buffet aus vertreiben. Dort liegen immerhin Messer griffbereit …
Die Speisen sind wie das Hochzeitskleid. Ein prunkvolles Märchen aus 1001 Nacht gepaart mit westeuropäischem Luxus. Das Beste sind die drei Schokobrunnen, die Noah vorhin schon so beeindruckt haben und aus denen inzwischen weiße, helle und dunkle Schokolade sprudelt. Zum Dippen liegen Nangkas, Java-Äpfel, Mangos, Litchis und Bananen bereit. Schon bewährt sich der Besuch mit Madame beim Lukullus-Caterer, sonst hätte ich die ersten beiden exotischen Früchte nicht erkannt. Bei einem teilindischen Menü könnte ich mit dem Nachttisch anfangen, weil die Inder nicht nach Gängen unterscheiden, sondern einfach alles auf einmal auf den Tisch packen und jeder nascht, was ihn gerade anlacht. Könnte man bei uns auch einführen! Das Essen ist gut geschützt unter Wärmehauben verborgen, ich kann also nur dem Schnuppertest und den kleinenSchiefertafeln folgen, auf denen die Gerichte in geschwungener Kreideschrift beschrieben sind.
Reichtum der Liebe
(Kaktusfeigensuppe mit Blattgold)
Schützende Finger über das glückliche Paar
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