Weg da, das ist mein Handtuch
beiden Nachbarn zu, er käme gleich wieder, rutschte von seinem Poolhocker, nahm ein Handtuch von einer Liege und wartete am Beckenrand, bis die Aqua-Göttin aus den Fluten stieg. »Schöne Frau!«, sagte er und breitete das Handtuch mit großer Geste aus, um es ihr um die Schultern zu legen. Sie nahm das Handtuch lieber selber.
»Du bist ja ’ne richtige Wasserratte. Mensch, toll, und ich hab mich noch nicht mal vorgestellt! Das muss ich jetzt mal dringend nachhole n …«
»Nein danke«, lächelte sie, gab ihm das Handtuch zurück, als sei er der Poolboy, und weg war sie.
Auf seinem Platz an der Poolbar saß jetzt ein fetter Kasper und trank das Bier, das Mario eben noch bestellt hatt e – Korrektur Zwischensumme: 406,1 5 Euro.
JESSICA
Nach drei Stunden Konzeptarbeit hatte sie sich auf die Runde Aquafitness gefreut. Zu früh: Alle waren doppelt so alt wie sie, die Wasserverdrängung durch Wampen und Schenkel enorm, die Übungen auf Reha-Niveau. Sie nahm noch eine Einheit Tennis. Der Lehrer war nicht schlecht, sie machte ihn trotzdem fertig. Hechelnd saß er auf dem Boden und sah sie an wie ein Cockerspaniel ein Würstchen.
Als sie an den Schreibtisch zurückwollte, rief Kolja auf dem Sporthandy an. Er war gerade in Hongkong und traf sich mit Programmierern, die von dort für eine Zürcher Firma arbeiteten. Kolja beriet derzeit die Firma, hot stuff, er schlief jede Nacht kaum vier Stunden und nahm jede Menge Wachmacher, um in den Konferenzen souverän zu bleiben. Seit drei Jahren war sie mit ihm zusammen. Sie hatten sich in Paris auf einem Kongress für Mobilfunkfrequenzen kennengelernt, als ihr Fahrstuhl steckenblieb. Sechs Stunden lang, so viel Zeit hatte sie noch nie mit einem Mann verbracht, und danach war die Sache klar. Und so sehr andere Leute über Fernbeziehungen ächzten, sie beide wuppten das ganz locker. Schafften es, sich alle vier, fünf Wochen zu treffen, mal bei ihr in München, mal bei ihm in Frankfurt, mal in seiner Zweitwohnung in Genf. Hatten in jeder Wohnung ein Kleiderdepot, in jedem Auto einen gepackten Dreitageskoffer, gar kein Problem, Jessica kaufte jedes Kostüm, jeden Blazer einfach drei- oder vierfach.
Kolja hatte good news: Es konnte sein, dass er in ein paar Tagen auch auf der Insel war, ein dringendes Gespräch mit einem Luftfahrtmanager, vielleicht reichte die Zeit für ein kurzes Treffen, einen schnellen Lunch zu zweit. »Lass uns nachher skypen«, sagte sie; sie wollte unbedingt mal wieder sein Gesicht sehen. Dann kam ein Anruf aus der Firma, und sie musste ihn leider wegdrücken, es konnte ja wichtig sein.
MARIO
Kaum lag er auf seiner Liege und quarzte, kam einer angehuscht. Der Poolboy. Er redete herum, die guten Liegen seien knapp, aber wenn man zu den wenigen Glücklichen gehören wolle, die schon frühmorgens ihre Reservierung sicher hätten, müsse man nur zahlen: 1 2 Euro am Tag für einen Platz in der ersten oder zweiten Reihe Pool mit Schatten, 1 0 Euro mit Sonne. Hammer, das waren ja 84 oder 7 0 Euronen in sieben Tagen. Pure Abzocke! Er sagte dem Boy, er solle sich verpfeifen.
Dann sah er die Blonde wieder. Sie trug jetzt T-Shirt, Hose und Sportschuhe und kam von den Tennisplätzen, Tennis kostete extra, die ließ es aber krachen! Er wollte gerade hinlaufen und sie fragen, ob sie nicht Lust auf einen Drink habe. Aber da klingelte ihr Handy, das si e – Hammer ! – am Arm in einem Halfter trug so wie Angelina Jolie in »Tomb Raider« ihre Pistolen!
Sie ging lange auf und ab und quatschte. Dann war sie auf einmal weg.
Scheiße, heute Abend war diese Sexgöttin aber fällig!
PETE
Als seine Nachbarn in ihr Zimmer polterten und ihre Kinder etwas von »Abendessen« quengelten, war Pete endgültig klar, dass heute niemand mehr vom Housekeeping kommen würde. Er fühlte sich erbärmlich. Die erste Hälfte der letzten Nacht hatte er versucht, auf der Toilette sitzend zu schlafen, denn das Bad war zu klein, um sich ausgestreckt auf den Boden zu legen. Die zweite Hälfte der Nacht hatte er sich doch auf den Boden gelegt und die Beine um Toilette und Waschbeckenfuß gezwängt. Tagsüber war er damit beschäftigt gewesen, das Blut in seinem gesunden Bein wieder zirkulieren zu lassen, auf seine Befreiung zu warten und seinen bohrenden Hunger mit Wasser aus dem Hahn zu betäuben. Glück im Unglück: Seit dem Nachmittag waren seine Sinne so weit abgestumpft, dass er die dümmliche Gute-Laune-Musik und die grundlos fröhlichen Durchsagen der Animateure am Pool nicht mehr
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