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Weg der Träume

Weg der Träume

Titel: Weg der Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicholas Sparks
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kannte.
    »Ach, übrigens…«, begann Otis erneut. »Diese Sache mit Harvey… Keine Sorge. Ich habe ihn gebeten, Sie nicht zu hart ranzunehmen.«
    Spannung lag in der Luft, und allmählich hatten einige Leute einen Kreis um sie gebildet. Miles sah Otis starr in die Augen, und dieser erwiderte den Blick regungslos. Otis' Bruder stand dicht neben ihnen, als hielte er sich bereit, Miles zu attackieren.
    »Lass uns gehen«, bat Sarah eindringlich. Sie fasste Miles am Arm. »Komm… bitte, Miles«, beschwor sie ihn.
    Das genügte, um ihn abzulenken. Sarah schnappte sich beide Jacken, klemmte sie sich unter den Arm und zog Miles durch das Getümmel. Die Leute machten ihnen Platz, und kurz darauf standen sie im Freien. Miles schüttelte Sarahs Hand ab, immer noch wütend auf Otis und wütend auf sich selbst, dass er beinahe die Beherrschung verloren hätte. Er stürmte aus der Gasse auf die Hauptstraße. Sarah folgte ihm in mehreren Schritten Abstand und blieb schließlich stehen, um ihre Jacke anzuziehen.
    »Miles… warte doch…«
    Es dauerte etwas, bis er reagierte, dann jedoch blieb er stehen und sah zu Boden. Als sie ihn eingeholt hatte und ihm sein Jackett hinhielt, schien er sie gar nicht wahrzunehmen.
    »Es tut mir alles so Leid«, sagte er, unfähig, ihr in die Augen zu sehen.
    »Du hast doch nichts getan, Miles«, wehrte sie ab. Als er nicht antwortete, trat Sarah näher an ihn heran. »Alles in Ordnung?«, fragte sie leise.
    »Ja, ja, alles in Ordnung.«
    Er sprach so leise, dass sie ihn kaum verstand. Einen Moment lang sah er genauso aus wie Jonah, wenn sie ihm zu viele Hausaufgaben gab.
    Auf der Straße rollte langsam ein Auto vorbei. Eine Zigarette segelte aus dem Fenster und landete im Rinnstein. Es war kälter geworden, zu kalt, um auf der Stelle zu stehen, und Miles zog sein Jackett an. Wortlos gingen sie nebeneinander her. An der Ecke brach Sarah das Schweigen.
    »Kann ich dich fragen, worum es ging?« Miles hob die Schultern.
    »Das ist eine lange Geschichte.«
    »Das ist meistens so.«
    Ihre Schritte durchbrachen als einzige Geräusche die Stille der Nacht.
    »Wir hatten schon häufiger miteinander zu tun«, erklärte Miles endlich. »Auf unerfreuliche Weise.«
    »Das war mir schon klar«, sagte Sarah. »Ich bin nicht dumm, weißt du.«
    Miles antwortete nicht.
    »Hör mal, wenn du lieber nicht darüber reden möchtest…«
    Sie ermöglichte ihm den Rückzug, und Miles hätte ihn fast angetreten. Doch dann steckte er die Hände in die Hosentaschen und schloss sekundenlang die Augen. Kurz darauf erzählte er ihr alles - von den vielen Verhaftungen, dem Vandalismus an seinem Haus, der Narbe auf Jonahs Wange - und kam schließlich zur letzten Verhaftung und Charlies Warnung. Während er sprach, durchquerten sie auf gewundenen Straßen den Stadtkern, spazierten an den geschlossenen Geschäften und der Episkopalkirche vorbei und erreichten schließlich die Front Street und den Park am Union Point. Sarah hörte die ganze Zeit über still zu. Als Miles fertig war, sah sie zu ihm hoch.
    »Tut mir Leid, dass ich dich vorhin zurückgehalten habe«, sagte sie ruhig. »Du hättest ihn zu Brei schlagen sollen.«
    »Nein - ich bin froh, dass du das gemacht hast. Er ist es nicht wert.«
    Sie passierten das Gebäude des ehemaligen Frauenclubs, einst ein malerischer Treffpunkt, doch nun seit langem schon verlassen. Jahrelange Überschwemmungen durch die Neuse hatten das Haus unbewohnbar gemacht. Nur Vögel und andere Tiere hielten sich darin auf.
    Miles und Sarah näherten sich dem Ufer, blieben stehen und blickten auf die teerfarbenen Fluten. Wasser schwappte in gleichmäßigem Rhythmus gegen den Mergel an der Uferböschung.
    »Erzähl mir von Missy«, bat sie, die Stille durchbrechend, die sich über sie gesenkt hatte.
    »Missy?«
    »Ich möchte gern wissen, wie sie war«, erklärte Sarah offen.
    »Sie ist ein großer Teil dessen, was du bist, aber ich weiß nichts über sie.«
    Miles schüttelte den Kopf. »Ich wüsste nicht, wo ich anfangen soll.«
    »Dann sag mir… was fehlt dir am meisten?«
    Jenseits des Flusses, etwa einen Kilometer entfernt, blinkten Lampen, die wie Glühwürmchen in heißen Sommernächten in der Luft zu schweben schienen.
    »Sie fehlt mir überall«, sagte er. »Wenn ich nach der Arbeit heimkomme, wenn ich aufwache oder sie in der Küche oder im Garten sehe - überall. Auch wenn wir nicht viel Zeit füreinander hatten, gab es mir ein gutes Gefühl, dass sie da war, wenn ich sie brauchte.

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