Weg der Träume
Wir waren lange genug verheiratet und hatten die typischen Phasen hinter uns, die Ehepaare durchlaufen - gute wie schlechte, und wir hatten uns wunderbar zusammengerauft. Wir waren ja noch Kinder, als unsere Partnerschaft begann, und wir kannten Paare, die etwa zur selben Zeit geheiratet hatten wie wir. Doch nach zehn Jahren waren viele von unseren Freunden geschieden, und manche hatten schon wieder geheiratet.«
Er wandte sich Sarah zu. »Aber wir hatten es geschafft, verstehst du? Wenn ich zurückschaue, bin ich stolz darauf, weil ich weiß, wie selten das ist. Ich habe nie bereut, dass ich sie geheiratet habe. Nie.«
Miles räusperte sich.
»Wir konnten stundenlang über alles reden. Oder gemeinsam schweigen. Sie liebte Bücher und hat mir die Geschichten erzählt, die sie gerade las, und sie machte das so interessant, dass ich Lust bekam, sie auch zu lesen. Sie las oft vor dem Einschlafen, und manchmal wachte ich mitten in der Nacht auf, und sie schlief, das Buch auf dem Nachttisch und die Lampe noch an. Ich musste aufstehen und sie ausknipsen. Das passierte häufiger, nachdem Jonah geboren war - Missy war ständig müde, aber sie machte kein Drama daraus. Sie war eine wunderbare Mutter. Ich weiß noch, wie Jonah laufen lernte. Er war ungefähr sieben Monate alt, das war viel zu früh… ich meine, er konnte noch nicht mal krabbeln, aber er wollte unbedingt laufen. Wochenlang ging sie vornüber gebeugt durch das Haus, damit er sich an ihren Fingern festhalten konnte. Abends hatte sie so verkrampfte Muskeln, dass sie sich am nächsten Tag kaum rühren konnte. Es sei denn, ich massierte sie abends. Aber weißt du…«
Miles verstummte und blickte Sarah in die Augen.
»… sie hat sich nie beklagt. Ich glaube, sie war dafür geschaffen. Sie hat immer gesagt, dass sie vier Kinder will, aber nach Jonah habe ich mir Ausreden ausgedacht, warum es nicht der richtige Zeitpunkt für ein weiteres Kind sei, bis sie schließlich energisch wurde. Sie wollte, dass Jonah Geschwister hat, und das hat mich überzeugt. Ich weiß aus Erfahrung, wie schwer man es als Einzelkind hat, und ich wünschte, ich hätte früher auf sie gehört. Wegen Jonah, meine ich.«
Sarah schluckte und drückte mitfühlend Miles' Arm. »Sie muss eine wunderbare Frau gewesen sein.«
Auf dem Fluss kämpfte sich ein Schlepper mit brummenden Motoren Meter um Meter vorwärts. Als der Wind die Richtung wechselte, stieg Miles der kaum wahrnehmbare Duft von Sarahs Honigshampoo in die Nase.
Eine Weile standen sie in freundschaftlichem Schweigen nebeneinander, von der Gegenwart des anderen wie von einer tröstlichen, warmen Decke umhüllt.
Es war spät geworden. Zeit, den Abend zu beenden. So sehr Miles sich auch wünschte, er würde immer weitergehen… Doch Mrs. Knowlson erwartete ihn um Mitternacht zu Hause.
»Wir sollten zurückgehen«, sagte er.
Fünf Minuten später, vor ihrem Haus, ließ Sarah seinen Arm los, damit sie den Schlüssel suchen konnte.
»Es war ein sehr schöner Abend«, sagte sie.
»Das finde ich auch.«
»Sehe ich dich morgen?«
Es dauerte einen Moment, bis ihm einfiel, dass sie zu Jonahs Spiel kommen wollte. »Vergiss nicht - es fängt um neun an.«
»Weißt du, auf welchem Spielfeld?«
»Keine Ahnung, aber wir sind schon vorher da. Ich halte nach dir Ausschau.«
In der kurzen Gesprächspause, die folgte, erwartete Sarah, dass Miles sie küssen würde, aber überraschenderweise trat er einen Schritt zurück.
»Also dann… ich muss jetzt los.«
»Ich weiß«, sagte sie, froh und enttäuscht zugleich. »Fahr vorsichtig.«
Während er auf den kleinen silbernen Pickup zusteuerte, die Tür aufschloss und sich hinter das Steuerrad setzte, sah Sarah ihm nach. Er winkte noch einmal, dann ließ er den Motor an.
Noch lange, nachdem er außer Sicht war, stand sie auf dem Gehweg.
Kapitel 12
Am nächsten Morgen schaffte es Sarah gerade noch rechtzeitig vor dem Anpfiff zu Jonahs Spiel. In Jeans und Stiefeln, einem dicken Rollkragenpulli und mit Sonnenbrille stand sie zwischen den aufgeregten Eltern.
Jonah, der mit einer Gruppe von Freunden kickte, sah sie von weitem und kam auf sie zugerannt. Er umarmte sie, fasste sie an der Hand und zog sie zu Miles.
»Guck mal, wen ich gefunden habe, Dad«, sagte er atemlos.
»Ms. Andrews ist hier.«
»Das sehe ich«, antwortete Miles und verwuschelte Jonah die Haare.
»Sie hat so allein ausgesehen«, erklärte Jonah. »Da hab ich sie geholt.«
»Was täte ich nur ohne dich, Chef!« Er
Weitere Kostenlose Bücher