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Weg der Träume

Weg der Träume

Titel: Weg der Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicholas Sparks
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voll - aber er erwähnte nie, dass Otis einen anderen Menschen auf dem Gewissen hatte. Die Belohnung hatte ihn nicht gelockt.
    Ein Alkoholiker im Vollrausch, der Informatione n bot, um freizukommen. Ein verbitterter Häftling, der sich plötzlich an wesentliche Informationen erinnerte, dessen Geschichte aber vor Ungereimtheiten nur so strotzte.
    Jeder Verteidiger, der sein Geld wert war, würde Sims Addison und Earl Getlin in der Luft zerreißen. Und Thurman Jones war gut. Richtig gut.
    Charlie saß stirnrunzelnd am Steuer. Die Sache behagte ihm nicht. Überhaupt nicht.
    Aber es ließ sich nicht leugnen, dass Otis die Worte ausgesprochen hatte: Dir wird dasselbe passieren wie Missy Ryan. Zwei Leute hatten ihn gehört, und das zählte. Vielleicht reichte es, um ihn festzuhalten. Wenigstens vorläufig.
    Aber reichte es für einen Prozess?
    Und vor allem: Bewies all das, dass Otis wirklich der Täter war?

Kapitel 23
    Das Bild von Missy Ryan, deren Augen ins Nichts blickten, ging mir nicht mehr aus dem Sinn, und deshalb verwandelte ich mich in einen anderen Menschen.
    Sechs Wochen nach ihrem Tod parkte ich den Wagen etwa einen halben Kilometer von meinem Ziel entfernt neben einer Tankstelle. Den Rest ging ich zu Fuß.
    Es war spät, kurz nach neun, an einem Donnerstag, und die Septembersonne war schon eine halbe Stunde zuvor untergegangen. Ich verhielt mich unauffällig. Ich hatte mich schwarz angezogen und blieb dicht am Straßenrand, und wenn sich die Scheinwerfer eines Autos näherten, versteckte ich mich sogar hinter Büschen.
    Ständig musste ich den Hosenbund hochziehen, obwohl ich einen Gürtel trug. Das tat ich in letzter Zeit häufig, aber ich hatte nicht darüber nachgedacht, bis an jenem Abend die Äste und Zweige an dem Stoff hängen blieben, und ich merkte, wie sehr ich abgenommen hatte. Seit dem Unfall hatte ich keinen Appetit mehr. Mir wurde übel, wenn ich nur ans Essen dachte.
    Auch die Haare fielen mir aus. Nicht büschelweise, aber doch ganze Strähnen. Wenn ich aufwachte, lagen Haare auf meinem Kopfkissen, und wenn ich mich kämmte, blieben sie in der Bürste hängen.
    Als ich in jener Nacht durch ein Loch im Zaun kroch, riss ich mir an einem krummen Nagel die Handfläche auf. Es tat weh und blutete, doch st att umzukehren, ballte ich nur die Hand zu einer Faust und ließ das Blut dick und klebrig durch die Finger rinnen. Der Schmerz kümmerte mich damals so wenig wie die Narbe heute.
    Ich musste hin. In der Woche zuvor war ich zur Unfallstelle gefahren und hatte auch Missys Grab besucht. Dort war schon ein Stein aufgestellt worden, aber die frische Erde bildete ein Loch in der Rasenfläche. Das beunruhigte mich, ohne dass ich den Grund dafür hätte nennen können, deshalb stellte ich die Blumen dorthin. Dann wusste ich nicht mehr weiter, setzte mich hin und starrte den Granitstein an. In der Ferne gingen andere Friedhofsbesucher durch die Reihen. Es war mir gleichgültig, ob sie mich sahen.
    Im Mondlicht öffnete ich die Hand wieder. Das Blut war schwarz und schimmerte wie Öl. Ich schloss die Augen, erinnerte mich an Missy und kämpfte mich weiter voran. Ich brauchte eine halbe Stunde. Mücken umschwirrten mein Gesicht. Am Ende des mühsamen Weges musste ich Privatgärten durchqueren, um die Straße zu meiden. Die Gärten waren hier weitläufig, die Häuser lagen abseits der Straße, und ich kam leichter voran. Mein Blick war auf das Ziel geheftet, und als ich mich dem Haus näherte, achtete ich darauf, nur ja kein Geräusch zu verursachen. Licht strömte durch die Fenster. Ein Auto parkte in der Einfahrt.
    Ich wusste, wo sie wohnten. Wir lebten schließlich in einer Kleinstadt. Ich hatte das Haus auch bei Tageslicht schon gesehen. Wie zum Unfallort und zu Missys Grab hatte es mich auch hierher gezogen, doch noch nie war ich so nahe gewesen. Ich atmete ruhiger, als ich die Mauer des Hauses erreicht hatte. Es roch nach frisch gemähtem Gras.
    Vorsichtig presste ich die Hand gegen die Backsteine. Ich lauschte auf quietschende Holzdielen, auf Bewegungen in Richtung Tür, hielt Ausschau nach flackernden Schatten auf der Terrasse. Doch niemand schien mich zu bemerken.
    Zentimeterweise schob ich mich zum Wohnzimmerfenster und kroch dann auf die Veranda, wo ich mich in eine Ecke drückte, in der ich durch ein efeubewachsenes Spalier vor den Blicken Vorübergehender geschützt war. In der Ferne bellte ein Hund, dann verstummte er und bellte schließlich aufgeregt noch einmal. Neugierig spähte ich durchs

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