Weg des Zorns 01 - Die Kriegerin
Tannis gerade an das JHB geschickt hatte, war eindeutig Teil eines bewussten Planes, sie für noch größere und bessere Dinge vorzubereiten.
Doch Tannis' Entscheidung, eine Karriere als Ärztin einzuschlagen, war eben der Grund, warum nun Lieutenant Angelique Jefferson den Zweiten Zug führte. Alicia bedauerte sehr, auf die verlässliche Tannis verzichten zu müssen, die stets die Ruhe bewahrt und immer taktischen Scharfsinn bewiesen hatte - das vermisste sie fast so sehr wie das Bewusstsein, sich immer darauf verlassen zu können, dass sie ihr stets den Rücken deckte. Doch Jefferson hatte sich als echter Glücksfall für die Kompanie erwiesen, und Alicia und Thönes waren mittlerweile zu einer gut eingespielten Zweiergruppe zusammengewachsen.
»Und was bringt Sie dazu, meine Bereitschaft anzuzweifeln, First Sergeant?«, fragte sie mit ernster Miene.
»Na, nichts liegt mir ferner, als auch nur anzudeuten, Sie könnten manchmal ein wenig arg langsam sein, Skipper«, gab Król mit breitem Grinsen zurück. »Hatte Tannis nicht irgendwann mal etwas in der Art ›noch zur eigenen Beerdigung zu spät kommen‹ gesagt?«
»Das war ein einziges Mal«, erwiderte Alicia würdevoll, »und es war nur eine Trainings-Mission, und dass meine Panzerung diese technische Macke hatte, war sowieso nicht meine Schuld!«
»Wie Sie meinen, Skipper«, versuchte Król sie zu beschwichtigen, und alle drei lachten.
»Ernsthaft, Skipper«, sprach der First Sergeant dann weiter, »wir sind bereit, in die Röhren zu steigen.«
»Dann sollten wir wohl aufsitzen und loslegen«, erwiderte Alicia und schaltete auf den allgemeinen Kompanie-Kanal um.
»An alle Einheiten, Ramrod hier«, meldete sie sich. »Los geht's, Leute - Rock 'n' Roll!«
Gleichmäßig zog die Marguerite Johnsen auf ihrem Park-Orbit über die Oberfläche des Planeten Louvain hinweg. Die Rish auf Louvain waren überreichlich mit Abwehrgeschützen ausgestattet, mit denen sie mühelos auch die obersten Atmosphärenschichten erreichen konnten, doch der Transporter des Kaders hielt sich weit jenseits der Reichweite dieser Waffen. Allerdings würde das schon bald nicht mehr für die einzelnen Kaderangehörigen in den Absprungsröhren des Schiffes gelten, und Alicia spürte, wie sich ihr Magen verkrampfte, während sie dort lag - auf Absprungsposition Nummer Eins.
Stell dich nicht so an, schalt sie sich selbst. Schließlich hast du diesen brillanten Plan doch selbst ersonnen, oder nicht?
Trotz ihrer Anspannung musste sie in sich hineinlachen, und währenddessen kam ihr der Gedanke, wie gut es doch sei, dass im Augenblick niemand ihre Medi-Anzeigen ablesen konnte.
»Alle Einheiten, bereit zum Sprung in fünf Minuten«, sagte die CyberSyntho-KI der Marguerite Johnsen, und Alicia holte tief Luft.
Diese fünf Minuten schienen sich eine Ewigkeit hinzuziehen, doch schließlich erklang der Warnton, der Alicia daraufhinwies, dass es noch dreißig Sekunden dauerte. Wie bei jedem Absprang dachte sie kurz darüber nach, irgendwelche letzten Worte der Ermutigung an ihre Truppe zu richten. Und wie jedes Mal entschied sie sich dagegen. Ihre Leute brauchten keine Beteuerungen, welch großes Vertrauen Alicia in sie setzte, wenn sie diese Worte lediglich aussprechen wollte, um ihre eigene Nervosität zu bekämpfen.
Und dann packte das Katapult ihr Sprunggeschirr und schleuderte Alicia aus der Röhre hinaus.
Auf ihrem HUD beobachtete sie, wie die Absprungsröhre mit der Geschwindigkeit eines altmodischen Maschinengewehrs auch den Rest ihrer Kompanie ausspie. Die Sprungformation war perfekt, genau wie Alicia das auch erwartet hatte. Und dann schaute sie zu, wie der Planet näher und näher kam.
Lodernde Flammen blühten in der Atmosphäre von Louvain auf, strömten wie glühende Tränen der Oberfläche entgegen. Es waren Dutzende - nein: Hunderte -, und Alicia verzog die Lippen zu einem gehässigen Grinsen. Brigadier Sampson hatte auf ihre Bitte, zusätzliche Ablenkungssprünge einzuleiten, ein wenig ... gereizt reagiert. Abschlagen konnte er Alicia diese Bitte nicht, schließlich hatte sie die volle Unterstützung von niemandem anders als Brigadier Sir Arthur Keita persönlich. Doch es hatte Sampson nicht gerade glücklich gemacht, zweiundvierzig Prozent seiner gesamten Sprunggeschirre für Täuschungs-Sprünge ohne aktive Truppen zu verwenden. Deswegen hatte er auch recht nachdrücklich angemerkt, da es sich um einen Einsatz des Kaders handle, sei es doch sinnvoller, wenn man an Bord der
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