Weg des Zorns 01 - Die Kriegerin
draußen an der Front aufhalten und nicht etwa daheim in Zhikotse, dann ist das doch wohl auch alleine deren Problem.«
»Aber dahinter steckt noch mehr, oder nicht?«, fragte Alicia nach, die Stirn immer noch nachdenklich in Falten gelegt. »Lieutenant Kuramochi möchte die Burschen nicht nur besiegt, sondern wirklich in Grund und Boden gestampft wissen, oder täusche ich mich?«
»Ausdrücklich gesagt hat sie das nicht«, beantwortete Medrano die Frage, »und Abe auch nicht. Aber ich glaube, es ist doch ziemlich klar, dass diese Milizheinis sich schon seit einiger Zeit nur
Dünnbrettbohrermanöver gegönnt haben. Das ist eines der Hauptprobleme bei allen Milizen, wenn man's recht bedenkt. Die scheinen einfach nicht zu begreifen, dass man aus einer Niederlage mehr lernt als aus einem Sieg. Naja, heute Nachmittag werden die also eine ganze Menge lernen.«
»Na, das ist ja nun wirklich ein Spaß«, murmelte Captain Karsang Dawa Chiawa, der Kompaniechef der Alpha-Kompanie im Ersten Hauptstadtregiment der Planetarmiliz von Gyangtse, während er zuschaute, wie der Zug, der die Vorhut übernommen hatte, sich mühselig über den beengten, unebenen Grund des Tales vorwärtsschleppte.
Es war bemerkenswert. Allein die nackten Felsbrocken - keiner davon sonderlich groß -, die von der Schneeschmelze im Frühling mitgerissen worden waren, gestalteten den Marsch schon äußerst unangenehm, ohne wenigstens brauchbare Deckung abzugeben. Und natürlich hatte das nasskalte Wetter der letzten Wochen das ganze Erdreich aufgeweicht, sodass es fast wie Schlamm an Stiefeln und Kleidung zerrte.
Captain Chiawa fiel gleich ein ganzes Dutzend Dinge ein, die er an seinem kostbaren freien Tag lieber unternommen hätte als das hier.
»Wessen Idee war das überhaupt?«, fragte eine Stimme, und Chiawa drehte sich zum Miliz-Lieutenant neben sich um. Genau wie Chiawa war auch Tsimbuti Pemba Salaka, der dienstälteste Zugführer seiner Kompanie, eigentlich selbständiger Geschäftsmann: Salaka war Anteilseigner von mehr als einem halben Dutzend Gemischtwarenläden in Zhikotse.
»Die kam von Colonel Sharwa«, erwiderte Chiawa, und Salaka rollte mit den Augen. Ang Chirgan Sharwa war einer der wohlhabendsten Männer der Stadt - nach Gyangtse-Maßstäben war er geradezu unverschämt reich -, und zugleich auch ein angesehenes Mitglied der Polit-Elite von Gyangtse. Im Gegensatz zu Chiawa hatte er eine Position von immensem Status inne, besaß politischen und wirtschaftlichen Einfluss und konnte in seinem Rang als stellvertretender Kommandeur der Planetarmiliz zugleich eine Garantie für eben diesen Einfluss und einen Beweis seiner naturgegebenen, unausweichlichen Wichtigkeit sehen. Außerdem bot sie ihm eine willkommene Gelegenheit, sich angemessen bei Lobsang Phurba Jongdomba einzuschleimen. Brigadier Jongdomba, der Oberkommandierende der Planetarmiliz, gehörte wohl zu den reichsten Männern auf dem ganzen Planeten. Chiawa wusste, dass Jongdomba zahlreiche Möglichkeiten gefunden hatte, aus seiner Stellung in der Miliz Kapital zu schlagen (ebenso wie wahrscheinlich auch Sharwa), und zudem war der Brigadier einer der einflussreichsten Politiker Gyangtses; deshalb ließ sich Sharwa niemals eine Möglichkeit entgehen, sich bei ihm beliebt zu machen.
Alles zusammengenommen hatte natürlich zur Folge, dass ein derart beschäftigter Mann wie Sharwa keinesfalls genug Zeit hatte, um sie darauf zu verschwenden, sich die eigenen Stiefel dreckig zu machen. Was ihn nicht davon abhielt, den Rest der Miliz nach draußen in den Schlamm zu jagen, wann immer ihm der Sinn danach stand.
»Warum überrascht es mich nicht im Mindesten, dass diese glorreiche Idee vom Colonel persönlich stammt?«, entgegnete Salaka nüchtern, und Chiawa verkniff sich ein Lachen. Zumindest in einer Hinsicht musste er Sharwa recht geben - er selbst konnte es sich im Grunde ebenfalls nicht leisten, hier draußen Zeit zu verschwenden. Vor allem nicht jetzt, nachdem die Wirtschaftsboykotts der BFG die Geschäftswelt immer härter trafen. Tatsächlich zog Chiawa sogar ernstlich in Erwägung, seinen Dienst bei der Miliz aufzukündigen und sich stattdessen mehr um seinen Zweimannbetrieb für technische Beratungen zu kümmern. Wäre da nicht die nagende Befürchtung gewesen, diese Idioten von der BFG könnten vielleicht einige der wahnsinnigen Dinge, die sie ständig von sich gaben, tatsächlich ernst meinen, hätte er schon längst seinen Abschied eingereicht. Aber so ...
»Bravo? Alpha
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