Weg des Zorns 02 - Der Zorn der Gerechten
Zeit gab es nichts, was irgendwelchen Argwohn erregt hätte, und wenn das alles eine vorgetäuschte Hintergrundgeschichte war, dann war es zweifellos die überzeugendste, die Alexsov jemals gesehen hatte. Aber vielleicht war das genau ja das Problem: War alles, was er über diese Frau bislang gelesen hatte, vielleicht einfach zu gut, um wahr zu sein?
Unfug! Er wurde ja allmählich so paranoid wie Rachel Shu! Aber er musste sich eingestehen, dass es genau diese Paranoia war, die Rachel derart erfolgreich hatte werden lassen.
Die Falten auf seiner Stirn wurden noch tiefer. Ob Quintana nun vom äußeren Erscheinungsbild dieser Frau zutiefst angetan war oder nicht, er musste sie doch überprüft haben! Die Geschäfte, die dieser Händler betrieb, mochten ja nach wyverianischem Gesetz völlig legal sein, doch Quintana wusste gewiss auch, wie bedeutungslos das wäre, sollte das Imperium jemals etwas davon erfahren. ›Abteilung O‹ hatte keinerlei Skrupel, eine unauffällige kleine Entführung oder ein Attentat zu arrangieren, und der FND würde sie dabei zweifellos unterstützen. Wahrscheinlich würde das Attentat noch nicht einmal sonderlich unauffällig ausfallen. Dem Imperium käme es sehr gelegen, wenn andere Freiweltler noch einmal gründlich darüber nachdenken würden, ob sie wirklich Feinden des Imperiums behilflich sein wollten.
Alexsov streifte das Headset ab und rollte das Kabel säuberlich zusammen.
Alles sprach dafür, dass diese Captain Mainwaring wirklich sauber war. Wenn das stimmte, mochte sie sich als unschätzbar wertvoll erweisen; stimmte es aber nicht, stellte sie eine immense Gefahr dar. Jeder Agent, der so tief in ihre Kommandostruktur vordringen konnte, musste unbedingt aus dem Weg geräumt werden, doch das Einzige, was Alexsov hatte, war eine Befürchtung - ein ›unbestimmtes Gefühl‹, sosehr er diesen Ausdruck auch verabscheute. Und das reichte nicht aus. Er vermutete, dass Rachel diese Captain Mainwaring alleine deswegen schon hätte umbringen lassen, aber Rachel war auch nicht gerade dafür bekannt, sonderlich maßvoll vorzugehen, und wenn dieses ›unbestimmte Gefühl‹ ihn hier trog, dann war Mainwaring für diese Aufgabe tatsächlich genauso ideal, wie Quintana das dachte.
Glücklicherweise gab es ja eine Möglichkeit, sich dessen zu vergewissern. Er räumte das Headset fort, nickte Commander Barr zu und steuerte die Krankenstation an.
Vor einem beeindruckenden Portal hielt das Schwebetaxi an, und Alicia trat in die herbstliche, ein wenig klamme Nacht von Wyvern hinaus. Die Luft war mit dem schweren Geruch verrottenden, fremdartigen Laubs geschwängert. Alicia schob ihre Credit-Karte in den Bezahl-Schlitz des Taxis, blickte sich um und zog ihren Bolero zurecht. Chateau Defiant lag dreißig Kilometer außerhalb der Stadt, und beide Monde dieser Welt waren von Wolken verdeckt. Ohne ihre Sensorik-Booster wäre es abgrundtief dunkel gewesen, und selbst mit ihnen war es düster genug, dass Alicia ernstlich nervös wurde - vor allem, weil dieses Zusammentreffen so wichtig war.
»Beruhig dich, Alley. Und sorg mal dafür, dass dein Puls nicht mehr so verrückt spielt.«
»Jawohl, Ma'am«, gab Alicia gehorsam zurück und aktivierte ihre Implantate. Ihr rasender Herzschlag verlangsamte sich, und Alicia spürte, wie sie sich deutlich entspannte - nicht genug, um ihre Wachsamkeit einzubüßen, aber doch genug, um nicht mehr ganz so nervös zu sein.
»Behalt einfach nur einen klaren Kopf, okay? Ich möchte, dass du wohlbehalten wieder zurückkommst - ach verdammt, ich möchte, dass ihr beide wieder zurückkommt. Kann man bei euch sagen ›in einem Stück‹? Ist ja auch egal.«
»Mach dir keine Sorgen, Megaira. Ich werde schon auf sie aufpassen.«
»Ha! Das beunruhigt mich ja am meisten!«
Alicia verkniff sich ein Lachen und zog ihre Credit-Karte wieder aus dem Schlitz des Gerätes. Lautlos öffnete sich das Tor, und aus dem Lautsprecher unterhalb des Videosensors drang Quintanas Stimme.
»Hi Theodosia! Wir sind im Grünen Salon. Sie kennen ja den Weg.«
»Gießen Sie uns ruhig schon mal ein, Oscar«, erwiderte sie und winkte ihm fröhlich zu. »In ein paar Minuten bin ich da.«
»Gut«, gab Quintana zurück und deaktivierte die Gegensprechanlage - dabei warf er Gregor Alexsov einen unglücklichen Blick zu. »Ist das wirklich notwendig?«, fragte er und deutete angewidert auf die sonderbare Pistole mit dem auffallend langen Lauf, den einer von Alexsovs Leuten in der Hand
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