Weg des Zorns 02 - Der Zorn der Gerechten
auf den Vorschlag reagiert hätten, man könne doch ›kontrollierte Prügeleien mit Vollkörperkontakt‹ organisieren.
Endlich richtete sich Alicia ganz auf und strich sich ihren gänzlich gegen die Vorschriften verstoßenden Pony aus den Augen; sie wusste genau, dass sie aussah wie ein menschliches Wrack, und sie fragte sich, wo hier wohl die Video-Sensoren untergebracht waren. Man hatte peinlichst darauf geachtet, sämtliche Rechte zu wahren, die ihr gemäß den Regularien des Militärs zustanden, und genau wie es die Vorschriften auch vorsahen, hatte Keita persönlich (nicht ohne eine gewisse, ungewöhnliche Steifheit, als sei es ihm peinlich) sie darüber unterrichtet, sie werde rund um die Uhr unter Beobachtung stehen, man werde selbst ihre Gedanken unablässig überwachen. Offiziell war Alicia krankgemeldet, rein rechtlich gesehen - und nur rein rechtlich gesehen! - war sie keineswegs eine Gefangene hier, sodass ihr theoretisch auch sämtliche Transportmöglichkeiten dieses Standortes zur Verfügung standen. Doch Alicia wusste, niemand konnte hier das Risiko eingehen, dass sie möglicherweise erneut spurlos verschwand. Und sollte das eben doch geschehen, so wollten sie zumindest vollständige Daten von allen Instrumenten erhalten, die ihnen nur zur Verfügung standen, um wenigstens zu erfahren, wie Alicia das geschafft hatte.
Das war natürlich eine furchtbar höfliche Art und Weise, ihr zu sagen, dass sie diese kranke Kameradin unmöglich einfach in der Gegend herumlaufen lassen konnten, solange sie noch daran zweifelten, ob besagte Kameradin es überhaupt noch schaffte, bis zwanzig zu zählen, ohne dafür die Schuhe ausziehen zu müssen.
Sosehr Alicia genau damit auch gerechnet hatte - und sie hatte sich sogar bewusst darum bemüht, dass genau das geschah-, schmerzte es sie doch, und sie war nicht die Einzige, die von dieser Vorgehensweise zutiefst verletzt war. Keita hätte durchaus zulassen können, dass Tannis ihr sämtliche Aspekte dieser Untersuchungen aufzeigte, schließlich war sie ja Alicias behandelnde Ärztin, aber dafür hatte er eben einfach zu viel Ehre im Leib ... und außerdem wusste er auch genau, wie sehr es Tannis gequält hatte, auch nur die Implantate ihrer Freundin zu deaktivieren. Mittlerweile waren sämtliche Prozessoren heruntergefahren, ebenso ihr Pharmaskop sowie ihr Alpha- und ihr Gamma-Rezeptor. Für den Beta-Rezeptor hatte man eine Ausnahmeregelung geltend gemacht, sodass Alicia wenigstens noch bei der Informationssuche und zur Unterhaltung auf Computer unmittelbar zugreifen konnte. So hatte Keita neben ihrem Bett in der Krankenstation gestanden, ihr seine Hilfe angeboten und die persönliche Verantwortung für diese Entscheidung übernommen. Dabei hatte er so unglücklich ausgesehen, dass Alicia ihn am liebsten getröstet hätte.
Natürlich wusste er nicht, dass Tisiphone seitdem ihre eigenen Testreihen durchgeführt und auch schon unter Beweis gestellt hatte, dass die ›unknackbaren‹ Reaktivierungscodes sie in ähnlichem Maße aufhielten wie eine Mauer aus Rauch.
»Noch 'ne Runde, Sarge?«, erkundigte sich Cateau träge. Mit einem Schaudern - das nur halb gespielt war - wich Alicia zurück, doch das charakteristische Funkeln, das sie in den Augen ihrer Freundin sah, war für sie zutiefst erleichternd. Sie hatte sich Sorgen darum gemacht, wie Tannis wohl auf die Wahrheit über Shallingsport reagieren würde, doch sie hatte die Informationen wirklich gut aufgenommen. Und auch wenn sie sich in diesem Trainingskampf vielleicht doch ein wenig mehr angestrengt hatte, als sie das eigentlich getan hätte - einfach nur, um sich gegen genau dieses Wissen abzuschotten-, so war Tannis' eigentliches Ziel doch gewesen, Alicia von deren eigenen Problemen abzulenken. (Und Alicia wusste genau, dass für Tisiphones Neckereien genau das Gleiche galt, auch wenn die Furie das natürlich niemals zugegeben hätte.) Nicht, dass das die Schmerzen von den zahlreichen Prellungen irgendwie gelindert hätte.
»Wenn Pablo und du so weitermacht, dann liege ich, wenn wir Soissons erreicht haben, schon wieder dauerhaft in der San-Station. Verdammt noch eins, Weib! Ich bin doch gerade mal seit einer Woche überhaupt erst wieder in der Lage, mich in solchen Spielchen hier zu ergehen! So schlagartig geht das nicht!«
»Ich hab doch artig geschlagen«, gab Tannis unschuldig zurück, doch angesichts von Alicias fassungsloser Miene brach sie in erstaunlich unprofessionelles Kichern aus.
Weitere Kostenlose Bücher