Weg des Zorns 02 - Der Zorn der Gerechten
Diese außerordentlich intelligenten Personen mussten geistig robust genug sein, mit diesem Wissen leben zu können, und zugleich auch bereit dazu, sich damit abzufinden, dass sie vielleicht eines Tages tatsächlich den entscheidenden Knopf würden drücken müssen, wenn die Pflicht ihnen das abverlangte.«
Er hielt inne und wartete, bis der Inspector verständnisvoll nickte.
»Naja, und wir haben im Prinzip das gleiche Problem, auch wenn es bei uns nicht ganz so weitreichend ist. Deswegen wählen wir unsere Leute nach gewissen geistigen Fähigkeiten aus und steigern dann ihre körperlichen Fähigkeiten, nicht zuletzt eben durch die Implantate, während der gesamten Ausbildungs- und Dienstzeit immer weiter.
Sie wissen, was Alicia getan hat, aber haben Sie wirklich schon einmal darüber nachgedacht, wie unwahrscheinlich das war, was sie dort vollbracht hat? Sie hat sich fünfundzwanzig Mann entgegengestellt, die dank der Kommunikatoren in ihren Helmen ständig in taktischem Kontakt standen. Diese Männer trugen leichte Panzerungen, sie waren mit Sturmgewehren, Handfeuerwaffen und Granaten bewaffnet, und sie hätten nur einen einzigen Piloten und einen Richtschützen an Bord ihres Shuttles bringen müssen, um Alicia zu erledigen. Sie hingegen hatte nur ein Gewehr in der Ausführung für Zivilisten und ein Messer bei sich, und sie hat sie trotzdem alle ausgeschaltet. Natürlich hatte sie das Überraschungsmoment auf ihrer Seite, und ihr Gewehr war auch außergewöhnlich leistungsstark, aber wenn Sie meine Meinung hören wollen, Inspector, sie hätte diese Männer auch dann noch alle erledigt, wenn sie am Anfang gänzlich unbewaffnet gewesen wäre.«
Ben Belkassem stieß einen kaum hörbaren Laut aus, der höflichen Unglauben signalisierte, und Keita grinste. Ein schöner Anblick war das nicht.
»Vielleicht möchten Sie sich noch einmal ins Gedächtnis zurückrufen, was sie auf Shallingsport geleistet hat, Inspector«, schlug er seinem Gegenüber leise vor. »Ich will damit nicht sagen, sie wäre in genau der gleichen Art und Weise vorgegangen. Höchstwahrscheinlich hätte sie zunächst einen einzelnen der Angreifer ausgeschaltet und ihm die Waffen abgenommen und sich dann um die anderen gekümmert, aber sie hätte sie erwischt. Ich muss zugeben, dass Alicia DeVries wirklich außergewöhnlich ist, selbst nach Begriffen des Kaders ...«
Er hielt inne und neigte den Kopf zur Seite, als müsse er kurz nachdenken, doch dann zuckte er nur mit den Schultern.
»Das hört sich wahrscheinlich ziemlich arrogant an, aber es ist nun einmal die Wahrheit, und zugleich ist es auch Bestandteil des geheimnisvollen Nimbus', der den Kader immer noch umgibt. Wer den Springereinheiten angehört, weiß ganz genau, dass er einer von den Besten der Besten ist. Daran zweifelt er nie, keinen einzigen Moment lang. Er wäre nicht in dieser Einheit, wenn er nicht ständig unter Beweis stellen wollte, dass er in der Lage ist, auch die schwierigsten, größten Herausforderungen zu bewältigen und die gefährlichsten Aufgaben zu erfüllen, die das Imperium ihm zu bieten hat. Er hat sich dem Kader angeschlossen, um dem Imperator zu dienen, ja, aber dieses Bedürfnis, jede ihm gestellte Aufgabe in der bestmöglichen Art und Weise zu erfüllen, eben als einer der Besten, ist fester Bestandteil seiner Psyche, sonst hätte man ihn niemals in den Kader berufen.
Und gleichzeitig muss er auch erkennen, dass das, was er tut - der Grund dafür, dass es ihn überhaupt gibt -, schlicht und einfach schrecklich ist. So viel es auch an Mut und Opferbereitschaft verlangen mag, sosehr es auch dazu beiträgt, dass andere in Sicherheit sind und sich ihres Lebens erfreuen können, so ist er doch nichts anderes als ein Killer. Ein Springer ist dazu ausgebildet, ohne jegliches Zögern zu töten, wenn es erforderlich ist, und seine Waffen und seine Fähigkeiten mit der gleichen Selbstverständlichkeit, der gleichen Natürlichkeit zum Einsatz zu bringen, wie etwa ein Wolf seine Zähne zum Einsatz bringt - doch zugleich muss er sich stets bewusst sein, dass das Töten an sich etwas wirklich Schreckliches ist. Bei einer der Organisationen, die man durchaus als unsere ›Vorfahren‹ bezeichnen könnte, wurde das einmal sehr gut ausgedrückt: Der Kader tut viele der Dinge, von denen wir uns wünschen würden, niemand müsse sie tun.
Und was vielleicht noch wichtiger ist: Ein Springer weiß nicht, was es bedeutet, aufzugeben. Ein paar Leute dieser Sorte findet man in
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