Weg in die Verdamnis
der Erde führen. Ich würde irgendwann einen Ausstieg erreichen und an einem völlig anderen Ort in Wien wieder die Oberfläche erreichen. Das alles schoß mir durch den Kopf, während ich auf dem schmalen Steig weiterturnte.
Bis mich ein Lachen stoppte!
Im ersten Moment erschrak ich so sehr, daß ich beinahe die Balance verloren hätte. Mit einem raschen Griff in Richtung Mauer konnte ich mich noch halten.
In einem Reflex schaltete ich die Lampe aus, denn ich wollte nicht unbedingt als Zielscheibe herhalten.
Dann preßte ich mich mit dem Rücken gegen das feuchte Mauerwerk.
Das Lachen war verklungen, und ich ahnte, daß mich Santerre entdeckt hatte und sicherlich auf mich wartete.
Ich aber auch auf ihn.
Kam er, kam er nicht?
Schritte konnte ich nicht hören, denn zu laut gurgelte neben mir das Schmutzwasser durch die breite Rinne. Es überdeckte alle anderen fremden und auch normalen Geräusche. Wenn jemand normal ging, würde ich ihn nicht hören können.
Santerre hatte sich als erster gemeldet. Bestimmt nicht grundlos, und so wartete ich darauf, daß er wieder sprach oder zumindest noch einmal lachte.
In den folgenden Sekunden geschah nichts. Mir wurde die Zeit lang. Die Sekunden reihten sich aneinander, und ich wartete sicherlich schon eine Minute.
Einen Vorteil brachte es nicht. Ich konnte überhaupt nichts sehen, nicht einmal die berühmte Hand vor Augen. In diesem Teil des Labyrinths durchschossen die schmutzigen Fluten die absolute Schwärze einer gefährlichen Unterwelt.
»Santerre!« Diesmal war ich es, der gerufen hatte. Sehr laut, und meine Stimme hallte in den Tunnel hinein.
Ich erhielt auch Antwort, was mich überraschte. »Wer bist du?«
»Dein Jäger!«
Die Worte hatten ihn wohl überrascht, denn zunächst hörte ich von ihm nichts. Dann aber höhnte er: »Hast du Jäger gesagt? Bist du wirklich ein Jäger? Mein Jäger?«
»Ja.«
»Und du willst deinen Weg in die Verdammnis gehen? Hast du das denn vor?«
»Bestimmt nicht. Ich werde dich fassen und vernichten. So einfach ist das!« Ich befürchtete, mich mit dieser Antwort zu weit aus dem Fenster gelehnt zu haben, so war es auch, denn abermals lachte mich Santerre aus.
Danach hörte ich wieder seine Stimme, die so ungewöhnlich verzerrt klang, als wären die Worte in ein schlechtes Mikrofon gesprochen worden. »Menschen sind immer gleich. Schon einmal haben es welche versucht, mich zu stoppen. Es ist ihnen nicht gelungen. Sie selbst waren es, die verloren, die den Weg in die Verdammnis nicht sperren konnten, obwohl es einer von ihnen später noch einmal versuchte. Ich will dir verraten, was mit ihm geschah. Mein Schwert hat ihn geköpft. Mein Schwert ist die Waffe, die auch dich zerstückeln wird, wenn du nicht aufgibst. Es ist meine letzte Warnung an dich gewesen, meine wirklich letzte.«
»Sie kümmert mich nicht, Santerre. Ich wundere mich nur darüber, daß du dir gerade dieses leere Haus ausgesucht hast, um deine Pläne zu vollenden.«
»Es war wichtig.«
»Wie wichtig?«
»Flieh, wer immer du bist. Mögen die Menschen sich auch verändert haben, ich habe es nicht. Für mich gelten nach wie vor die gleichen Gesetze wie früher. Und die werden dir den Tod bringen…«
Die letzten Worte hatten sich für mich wie ein Abschluß angehört. Ich stellte auch keine weitere Frage mehr. Statt dessen riskierte ich es, die Lampe einzuschalten.
Reichte das Licht aus, um ihn zu sehen?
Nein, der weiße Arm fuhr über die Wasserfläche hinweg wie eine lange, waagerecht verlaufende Brücke, aber er traf auf kein Ziel, sondern stach ins Leere.
Trotzdem war etwas anders geworden.
Ich hörte die Veränderung zunächst. Das Gurgeln und Schmatzen des schnellfließenden Schmutzwassers hatte sich verändert. Es war stärker geworden, auch schaumiger, wie ich mit einem flüchtigen Blick sah. Im nächsten Augenblick senkte ich den rechten Arm, so daß der helle Strahl über die Oberfläche hinwegglitt.
Da sah ich, was passiert war!
Santerre beherrschte sein schauriges Handwerk perfekt. Zusammen mit den Fluten wälzte sich eine Armee von Ratten auf mich zu. Sie lagen im Wasser, sie strampelten, sie überholten sich gegenseitig, und sie huschten auch über die Gehwege hinweg.
Er hatte mir seine Boten geschickt, und sie waren verdammt hungrig, das wußte ich auch.
Mir blieb nur eine Möglichkeit – die Flucht, der Weg zurück. Und ob ich es schaffte, war fraglich…
***
Der Taxifahrer fuhr rechts an den Straßenrand heran, drehte sich um
Weitere Kostenlose Bücher