Weg mit den Pillen
wie ernährt er sich demzufolge?
Wie ist er beruflich eingebunden? Erhält er die Bestätigung und die Gratifikation, die er braucht?
Wie sieht sein soziales Umfeld aus? Hat er ausreichend gute und enge Beziehungen, die ihn stützen, oder leidet er möglicherweise an mangelnden Kontakten?
Wie sieht seine Beziehung zu seinen intimsten Bezugspersonen aus, seinem Partner, seiner Partnerin, seinen Kindern oder Eltern? Kann er dort sein Herz öffnen oder nicht?
Wie steht er schließlich zu seiner eigensten inneren Natur? Hat er ein Gefühl dafür, wohin er mit seinem Leben will, oder lässt er sich treiben und fremdbestimmen?
Dies wären etwa Fragen, die ein Arzt, der nicht nur im Rahmen des Maschinenmodells arbeitet, irgendwann stellen sollte.
Dann könnte eine umfassende Therapiemaßnahme eben genau darin bestehen, zusammen mit dem Patienten ein neues Leben zu entwerfen – und nicht nur eine neue Blutbahn. Die Krankheit kann als Chance genutzt werden, das Leben ganz neu zu erfinden. Derzeit wird in deutschen Zügen für die Blutspende Reklame gemacht, mit einem klugen Plakat, wie ich finde. Zu sehen ist ein und derselbe Mensch mit zwei Lebensdaten. Darunter steht: »neu geboren am …« mit einem neueren Datum, das suggerieren soll, dass jemand durch eine Blutspende neu geboren worden ist. Dieses Bild lässt sich generell auf eine gute Therapie anwenden. Wenn man Krankheit als einen wichtigen Wendepunkt im Leben eines Menschen begreift, dann geht es darum, das Leben neu zu erfinden, neu zu entwerfen, ja eine wahre Neugeburt vorzunehmen.
Wenn wir uns an die Information erinnern, dass eine Lebensstilumstellung
(vor allem die Umstellung der Ernährung) einen Gefäßverschluss am Herzen rückgängig machen kann, dann sehen wir, wohin das führen könnte. Wenn wir etwa von der Einbettung in die Natur ausgehen, dann wird sich eine Umstellung der Ernährung von selbst nahelegen. Denn nur eine völlig von allen natürlichen Zusammenhängen entfremdete Art der Ernährung bringt Zivilisationskrankheiten in dem Ausmaß hervor, wie wir sie erleben. Wer dann seine Krankheit nutzt, um diese Umstellung vorzunehmen, und sich dadurch auch wieder in einen ganz anderen Zusammenhang zur Natur stellt, der hat schon einen ersten wichtigen therapeutischen Schritt getan. Vielleicht sogar den wichtigsten, aus dem alles andere folgt.
Doch möglicherweise ist auch das nicht ausreichend. Vielleicht muss man zudem den Arbeitskontext berücksichtigen. Oftmals lässt sich durch Änderungen am Arbeitsplatz oder durch Veränderung des Arbeitsplatzes eine Arbeitsbedingung schaffen, die zuträglicher ist. Manchmal wird therapeutische Hilfe dazu nötig sein, damit jemand beispielsweise lernt, sich seinem Chef oder den Kollegen gegenüber besser durchzusetzen oder seine Bedürfnisse besser zu artikulieren. Vielleicht sind auch noch weiterreichende Maßnahmen im Leben notwendig: eine Aussöhnung mit Verwandten, eine Klärung mit den Kindern oder dem Ehepartner. All das wäre Teil eines umfassenden Diagnose- und Therapieprogramms, währenddessen das Leben neu entworfen wird.
Es könnte sein, dass dann auch noch ein chirurgischer Eingriff notwendig wird, aber dieser stünde vielleicht nicht im Zentrum der Bemühungen, außer wenn jemand so akut gefährdet ist, dass eine chirurgische Hilfe absolut lebensrettend ist. Wenn man all diese oben genannten Aspekte berücksichtigt – die Ernährung umstellen, lernen mit belastenden Lebenssituationen konstruktiv umzugehen, vielleicht regelmäßige Entspannung und Meditation in sein Leben einbauen, wichtige Beziehungen klären, sich ausreichend Bestätigung am Arbeitsplatz holen – könnte sich nämlich auch zeigen, dass dann sogar die Notwendigkeit eines Eingriffs vorbeizieht wie eine Gewitterwolke.
Warum funktioniert unser medizinisches System nicht nach einem solchen ganzheitlichen Ansatz? Es gibt schon längst Vorschläge dazu. Der berühmte Psychosomatiker Thure von Uexküll (1908 – 2004) hatte ähnliche Gedanken schon vor 20 Jahren geäußert. Seine Schüler und die von ihm Ausgebildeten haben eine Akademie zur ärztlichen Fort- und Weiterbildung gegründet, in der diese Lehre weiterverbreitet wird. Es gibt wissenschaftliche Gesellschaften, die sich mit dem biosemiotischen Modell, wie es in der Fachsprache genannt wird, befassen. Warum ziehen diese Gedanken so sang-und klanglos an allen Entscheidungsträgern vorüber? Ganz einfach: weil keiner von denen, die momentan im System mit Krankheit Geld
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