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Weg mit den Pillen

Weg mit den Pillen

Titel: Weg mit den Pillen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harald Walach
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verdienen, dann noch Kasse machen würde. Alle, die im Moment in unserem Gesundheitssystem Geld verdienen und von ihm profitieren, haben ein vitales Interesse daran, dass sich solche Einsichten eben genau nicht weiterverbreiten. Denn wenn sie es täten, wäre es aus mit den dicken Verdiensten. Wenn sich diese Erkenntnisse durchsetzen würden, wäre das sicher nicht das Ende der Pharmabranche oder der Chirurgie – bestimmt nicht. Aber die Verschreibungen würden abnehmen, die chirurgischen Eingriffe zurückgehen. Das Schwergewicht der Behandlung würde sich verlagern, weg von den pharmakologischen, chirurgischen, materiellen Eingriffen, hin zu kommunikativen Prozessen: zu Gesprächen zwischen Arzt und Patient, zu selbst verantworteten Entscheidungen von Patienten und Umstellungen des Lebensstils, zu psychotherapeutischer Unterstützung, ja vielleicht sogar zu Umstrukturierungen im Arbeitsleben. Aber das rasche und etwas kurzsichtige Greifen zur Pille würde sicher weniger werden, genauso wie das allzu rasche und noch teurere »Schneiden«.
    Therapie als Raum des Wunders
    Es gibt eine berühmte therapeutische Frage, die aus der systemischen Familientherapie kommt: »Stellen Sie sich vor, es würde über Nacht ein Wunder passieren: Woran würden Sie das am nächsten Morgen erkennen?« Oftmals gelingt es Patienten nicht, sich so
etwas überhaupt vorzustellen. Sie sind so eingefahren in ihren alten Gleisen der Krankheit, dass sie eine positive Vorstellung, wie es denn nun auch anders sein könnte, gar nicht entwickeln können. Sie haben schlicht und ergreifend überhaupt keine positive Vision, wie sich ihr Leben ohne Krankheit gestalten ließe, denn die Krankheit ist ihr Leben geworden. Solche Patienten werden auch dem besten Chirurgen, Arzt und Therapeuten beweisen, dass er die Krankheit nie und nimmer heilen kann. Daher ist der erste Schritt: den Patienten – und sich selbst – davon zu überzeugen, dass es in der Tat auch anders sein könnte. Wenn der Patient erst einmal diesen allerersten Schritt tut, dann ist eine Spur zur Veränderung gelegt. Denn dann kann man daran arbeiten, dieses mögliche Wunder weiter zu explorieren: Wie würde das konkret aussehen? Was müsste passieren, damit so etwas möglich wird? Wie würde sich das anfühlen? Welche Konsequenzen hätte das für einen selbst und für andere?
    Plötzlich entdeckt man dann vielleicht, dass das Wunder tatsächlich gar nicht so erwünscht ist. Denn vielleicht verschiebt sich ja dann das Gefüge in der Ehe und man müsste beginnen, diese neu zu definieren. Oder man müsste am Arbeitsplatz oder sonst wo mehr Verantwortung übernehmen.
    Therapie ist die Kunst, das Wunder wahrscheinlich zu machen. Es gibt viele Möglichkeiten, das zu tun. Eine ist die psychotherapeutische, die ich oben ganz kurz angerissen habe. Eine andere ist die traditionell ärztliche: Man vermittelt dem Patienten einen derart überzeugenden Mythos, dass er keine andere Wahl hat als daran zu glauben, dass es wohl so sein wird. Der momentan für die Mehrzahl der Menschen überzeugendste Mythos ist derjenige vom Maschinenmodell des Menschen: »Wir legen Ihnen neue Blutgefäße, Herr Müller, dann bekommt Ihr Herz wieder das Blut, das es braucht, und dann ist alles wieder gut. Denn schließlich ist das Herz nichts als eine Pumpe – und die braucht nun mal Energie zum Pumpen, nicht wahr? Und weil Ihre Gefäße so verstopft sind, bekommt es diese Energie nicht. Wir beheben das Problem. Nach einem halben Jahr sind Sie wieder fit. In der Reha zeigt man Ihnen,
wie Sie noch ein bisschen für sich sorgen können, und dann sind Sie geheilt.«
    Das ist eine Möglichkeit, ein Wunder wahrscheinlich zu machen. Man gibt den Patienten einen potenten Mythos an die Hand und installiert in ihnen den Glauben daran. Dies Prinzip wird derzeit von unserem ganzen medizinischen Apparat unterstützt und von unserem gesellschaftlichen Konsens genährt. Daher funktioniert es auch leidlich gut. Es ist aber sehr teuer im Unterhalt und seine Ergebnisse sind nicht immer optimal. Wir nehmen das im Moment hin, weil wir zu fantasielos sind, es uns auch anders vorzustellen. Daher ist mein Buch eigentlich ein Versuch, das kollektive Wunder des Umdenkens möglich zu machen. Denn es geht auch anders. Das habe ich versucht zu skizzieren.
    Eine andere Möglichkeit, ein Wunder möglich zu machen, wäre es zu sagen: »Herr Meier, Ihre Krankheit ist ein Zeichen, dass irgendetwas anders werden muss. Zwar sind Ihre Blutgefäße am

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