Wege des Herzens
in die Notaufnahme fahren?«, hatte Aidan wissen wollen.
»Selbstverständlich können Sie das machen, aber so geht es vielleicht schneller. Möglicherweise brauchen Sie nur ein anderes Diuretikum. Und dann könnte man Sie eine halbe Stunde später wieder zurückrufen, um zu hören, ob sich die Atemnot wieder gegeben hat. Mehr ist oft nicht nötig, und es würde Ihnen den weiten Weg hierher ersparen.« Die muntere Barbara sah die Sache ganz pragmatisch. »Sie werden sich mit den Leuten in der Klinik gut verstehen, Aidan. Es sind wirklich nette Menschen«, sagte sie.
Von Nora und Aidans Wohnung mit dem Bus in die Herzklinik zu fahren dauerte nicht lange. Die Leute waren gegen die Februarkälte alle warm gekleidet, und vom Kanal stieg Nebel hoch. Nora hatte Aidan einen schicken karierten Wollschal umgebunden, bevor sie losfuhren. Ihm ging es wieder hundertprozentig gut; nur der drohende Schatten, dass sich der Anfall wiederholen könnte, beeinträchtigte ein wenig die Stimmung.
Der Bus hielt genau vor dem Eingang zur Klinik. Nora und Aidan kannten die Geschichte des ehemaligen Depots, aus dem beinahe ein Parkplatz geworden wäre, wenn das Krankenhaus St. Brigid es nicht in letzter Sekunde vor diesem Schicksal bewahrt hätte. Auf einem großen Messingschild über der Tür stand
Herzklinik
, und innen war das Gebäude bemerkenswert hell und freundlich eingerichtet.
Eine aufmerksame junge Polin namens Ania führte Nora und Aidan überall herum und stellte sie den Mitarbeitern vor. Im Physiotherapieraum drückte Johnny ihnen kraftvoll die Hand und erklärte im Brustton der Überzeugung, dass eine gute Muskulatur das Wichtigste sei. Dann zeigte er ihnen die verschiedenen Übungsgeräte. Er freue sich schon sehr darauf, Aidan zu mehr Muskeln zu verhelfen, sagte er.
Anschließend brachte Ania sie in das Zimmer von Lavender, der Diätassistentin, die ihnen einen Ernährungsplan und eine Liste mit den Terminen ihrer Kochkurse mitgab, bei denen auch die Angehörigen willkommen waren.
Aidan erkannte Barbara sofort wieder, und die muntere Krankenschwester stellte ihm ihre Kollegin Fiona vor, ebenfalls eine Augenweide. »Bei Fiona sind Sie natürlich auch in guten Händen – nur für den Fall, dass Sie mal Pech haben und einen Tag erwischen sollten, an dem ich ausnahmsweise nicht hier bin, Aidan.«
»Achten Sie einfach nicht auf sie, Aidan«, erwiderte Fiona lachend. »Wahrscheinlich rufen Sie früher oder später heimlich hier an, um zu erfahren, wann Barbara frei hat – wie alle anderen auch.«
Dann waren da noch ein junger Arzt namens Declan, eine Büroleiterin namens Hilary, die Aidans Unterlagen aus dem Krankenhaus entgegennahm, und schließlich die Leiterin der gesamten Einrichtung, Dr.Casey, eine äußerst attraktive Frau, die nicht viel von Titeln zu halten schien.
»Ich heiße Clara«, stellte sie sich vor. Sie hatte die Unterlagen aus dem Krankenhaus bei sich, und während Aidan von Barbara in eine der Behandlungskabinen geführt wurde, forderte sie Nora auf, an ihrem Schreibtisch Platz zu nehmen. Clara warf einen kurzen Blick auf die Notizen aus dem Krankenhaus, an deren Rand eine Bemerkung gekritzelt war.
»Bearbeiten Sie die Ehefrau«
, stand dort.
Was für eine umwerfende Erscheinung, dachte Clara. Man sah nicht oft eine über fünfzigjährige Frau mit langen, rot und grau gesträhnten Haaren, die absolut natürlich wirkten und bei denen garantiert kein Friseur nachgeholfen hatte.
Nora hatte die Gabe, sehr still sitzen zu können. Bestimmt war es angenehm, mit ihr zusammenzuleben. Clara überlegte, mit welchem Ziel sie diese Frau wohl bearbeiten sollte.
Doch das wurde ihr bald klar.
Denn Nora Dunne glaubte nicht daran, dass es ihrem Mann jemals wieder bessergehen könne, und das war in der Tat ein Problem, das jeder Heilung im Weg stand.
Zunächst hielt Clara voller Schwung und Optimismus ihren üblichen Vortrag über die Klinik und deren Möglichkeiten, ihre Patienten vor einer Rückkehr ins Krankenhaus zu bewahren. Doch sie spürte sofort, dass ihre Worte nicht auf fruchtbaren Boden fielen. Und so versuchte sie es mit einer anderen Taktik.
»Wir haben herausgefunden, dass es Patienten mit einem positiven familiären Background, mit einer häuslichen Umgebung, in der man fest daran glaubt, dass es ihnen bessergehen wird,
tatsächlich
wieder bessergeht«, fuhr sie fort.
»Sie meinen wohl die heilsame Wirkung von positivem Denken?« Nora klang nicht überzeugt.
»Nicht direkt. Eher eine
Weitere Kostenlose Bücher