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Wege des Herzens

Wege des Herzens

Titel: Wege des Herzens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maeve Binchy
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Veränderungen jedoch nur schwer zu verkraften. Nichts mehr war so wie früher. Die Gegend war noch nie besonders vornehm gewesen, aber man hatte die Lehrer wenigstens respektiert. Die Kinder kamen aus Elternhäusern, in denen das Geld zwar knapp, aber jeder darum bemüht war, seinen Abschluss zu machen. Heute zählte nur noch Geld, und wenn der große Bruder eines Schulfreunds ein dickes Auto fuhr und eine teure Lederjacke trug, dann war es schwierig, sich für eine Stelle in einer Bank oder in einem Büro zu begeistern, wo man niemals so viel verdienen würde, um sich einen Wagen oder gar ein eigenes Haus leisten zu können; und von einer Lederjacke konnte man nur träumen. Kein Wunder, dass so viele der Jungen diesen Gangs beitraten. Und auch das mit dem Respekt war nicht mehr so wie früher.
    Aidan Dunne berichtete seiner Frau Nora von alldem.
    Man war auf dem Flur irgendwelchen Rüpeln ausgesetzt, die einen anrempelten und die Bücher aus der Hand schlugen, höhnisch lachend und feixend, dass man wohl nicht mehr alles im Griff habe. Aidan konnte sich noch an Zeiten erinnern, da hatten ihm die Schüler schnell wieder die Bücher aufgehoben. Doch jetzt nicht mehr. Jetzt nannten sie ihn Glatzkopf oder fragten ihn, ob er sich noch an den Ersten Weltkrieg erinnere.
    Den weiblichen Lehrkräften erging es auch nicht viel besser. Waren sie nicht verheiratet, erdreisteten sich manche der ärgsten Rüpel, sie zu fragen, ob sie frigide oder lesbisch seien. Und waren sie verheiratet, mussten sie sich die Frage anhören, wie oft sie es nachts trieben.
    »Und was antwortest du dann?«, wollte Nora wissen.
    »Ich versuche, diese Typen zu ignorieren, und sage mir, dass sie noch dieselben unsicheren Kinder wie früher sind – nur drückt sich das heute anders aus. Trotzdem macht es die Arbeit nicht unbedingt einfacher.«
    »Und wie kommen deine Kolleginnen damit zurecht?«
    »Die jüngeren sind den Burschen ganz gut gewachsen und kontern mit Bemerkungen wie: ›Oh, du könntest es mir doch nie so besorgen wie mein Alter‹, oder aber sie behaupten, deswegen lesbisch zu sein, weil die einzige Alternative schrecklich pickelige Jungs wie sie mit dreckigen Fingernägeln wären.« Aidan schüttelte den Kopf. »Eigentlich bin ich bereits fix und fertig, wenn ich im Klassenzimmer ankomme«, fügte er traurig hinzu.
    »Warum hörst du dann nicht auf?«, fragte Nora. Sie gab Abendkurse in Italienisch und organisierte für die ganze Gruppe einmal im Jahr eine gemeinsame Reise nach Italien. Nebenbei hatte sie noch mehrere kleinere Jobs, aber ihr Interesse an Geld, einer Altersrente oder der Zukunft im Allgemeinen war nur gering. In einem der Korbstühle sitzend, die sie auf dem Flohmarkt gekauft hatte, versuchte sie, Aidan dazu zu überreden, sich ihren unbekümmerten Lebensstil ebenfalls zu eigen zu machen.
    Doch Aidan war ein Mensch, der sich ständig Sorgen machte. Es wäre idiotisch, meinte er, die Schule nur wenige Jahre vor seiner Pensionierung zu verlassen. Das hieße: keine anständige Pension und folglich Probleme, zum Lebensunterhalt von Nora und seiner ersten Familie entsprechend beizusteuern.
    »Oh, du hast recht gut für sie vorgesorgt«, erwiderte Nora, nicht im Mindesten betrübt. »Du hast Nell immerhin den Löwenanteil von dem Geld überlassen, das du für das Haus bekommen hast. Grania ist mit dem Direktor deiner Schule verheiratet, und Brigid hat man die Partnerschaft in ihrem Reisebüro angeboten. Eigentlich sollten sie für dich sorgen, wenn man es sich recht überlegt.«
    »Aber was ist mit dir, Nora? Ich will für dich sorgen und dir etwas Luxus und Komfort bieten können.«
    »Du bietest mir doch jede Menge Luxus und Komfort«, antwortete sie.
    »Aber du brauchst
Sicherheit
, Nora«, gab Aidan zu bedenken.
    »Ich hatte noch nie Sicherheit, und jetzt brauche ich sie auch nicht.«
    »Ich werde meine Zeit an der Schule bis zum Ende absitzen müssen.«
    »Nicht, wenn es dir dort nicht mehr gefällt. Was soll aus unserem schönen Leben werden, das wir einander versprochen und die meiste Zeit über auch gehabt haben?«
    »Das können wir nur weiterführen, wenn ich einen guten und sicheren Job habe, Nora«, sagte er.
    »Nein – das hat damit gar nichts zu tun. Nicht, wenn du vor lauter Sorgen und Stress wegen diesen Jugendlichen nicht mehr schlafen kannst. Wir brauchen das Geld nicht, Aidan. Nicht, wenn deine Gesundheit darunter leidet.«
    »Aber meine Gesundheit leidet doch nicht darunter«, widersprach Aidan

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