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Wege des Herzens

Wege des Herzens

Titel: Wege des Herzens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maeve Binchy
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Gefühl eines leichten Schwindels. Nur eine Sache wunderte sie wirklich sehr. Vonni in England? Vonni hatte in England nichts Geschäftliches zu erledigen. Welche Angelegenheit konnte Vonni wohl nach England führen?
     
    Die Betreiber der Frühstückspension, in der Vonni übernachtete, waren sehr freundlich, und sie vertraute ihnen an, dass sie noch nie zuvor in England gewesen sei.
    »Unglaublich! Wenn man bedenkt, wie nahe es an Irland liegt! Aber ich habe schon sehr jung einen Griechen geheiratet und bin ans Mittelmeer gezogen. Und England hat in meinem Leben nie eine große Rolle gespielt.«
    Das Ehepaar war sehr an ihrer Geschichte interessiert. »Was für ein abenteuerliches Leben!«, staunten sie.
    »Manchmal auch ein bisschen zu abenteuerlich«, erwiderte Vonni bedrückt.
    »Nun, wenn Sie möchten, können wir Ihnen gern zeigen, wo die interessantesten Sehenswürdigkeiten liegen.« Die Frau versuchte Vonni aufzumuntern, deren Trauer sie instinktiv spürte.
    »Nein – die einzige Sehenswürdigkeit, von der ich wissen muss, wo sie liegt, ist das Gefängnis«, antwortete Vonni.
    Und das nette Paar erklärte ihr, dass der Bus dorthin direkt vor ihrer Haustür losfuhr. Ohne ihr weitere Fragen zu stellen, gossen sie ihr frisch gekochten Tee ein.
    Die beiden waren wirklich angenehme Zeitgenossen. Sie hatte Glück gehabt, ausgerechnet in dieser Pension zu landen.
     
    Am nächsten Morgen stand Vonni an der Bushaltestelle, während um sie herum die Menschen ihren alltäglichen Beschäftigungen nachgingen. Junge Verkäuferinnen machten sich auf den Weg an ihre Arbeitsstelle, Mütter brachten ihre Kinder in die Schule, und Männer mit besorgten Gesichtern schauten hektisch auf die Uhr.
    Alle diese Männer und Frauen hatten Kinder und eine Familie und führten ein normales Leben. Sie hatten keine Aktentasche voller bestätigter Schecks in der Hand und warteten auf den Bus, der sie zu ihrem Sohn bringen sollte, um ihn auf Kaution aus dem Gefängnis zu holen, einen Sohn, der sich seit Jahrzehnten seiner Mutter entfremdet hatte. Ihre Herzen waren nicht schwer vor Sorge. Sie wussten, was der Tag ihnen brachte, während sie keine Ahnung hatte, was passieren würde.
     
    Die Herzklinik konnte sich vor neuen Patienten kaum mehr retten. Frank Ennis kam eines Tages persönlich vorbei, um Clara zu berichten, dass in einer amerikanischen Zeitung ein wunderbarer Artikel über die Klinik erschienen sei. Offenbar war die Frau eines amerikanischen Journalisten, der für drei Monate in Dublin lebte, bei ihnen in Behandlung gewesen. Sie hatte in der Zeit einen Herzanfall erlitten und schien in der Klinik außergewöhnlich gut versorgt worden zu sein. Immer wieder schlug Frank Ennis mit der flachen Hand auf die Zeitung und erklärte lautstark, dass Öffentlichkeitsarbeit dieser Art nicht mit Gold aufzuwiegen sei.
    Clara freute sich natürlich, war aber nicht weiter beeindruckt. Schließlich waren sie bemüht, jeden ihrer Patienten gleich gut zu behandeln. Nur weil diese Dame die Frau eines bekannten Kolumnisten war, war der Behandlungserfolg nicht mehr wert als bei anderen Patienten.
    »Immerhin hat der Journalist erwähnt, dass unsere Klinik hell, weiträumig und bestens ausgestattet ist, Frank!«, sagte Clara. »Wäre es nach Ihnen gegangen, wäre es hier eng und düster wie in einem Verlies …«
    Hilary ließ Frank, der bei dieser Antwort blass wurde, nicht aus den Augen. Allmählich gewann sie nämlich den Eindruck, dass Franks Interesse an Clara mehr als rein beruflicher Natur war. Das hatte sie Clara auch schon mal gesagt, aber die war bei der Vorstellung nur in schallendes Gelächter ausgebrochen.
    »Frank!«,
hatte sie entsetzt aufgeschrien. »Eher verbringe ich den Rest meines Lebens als Nonne im Kloster.«
    Hilary blieb jedoch bei ihrer Meinung. »Er ruft immer vorher an, um sich zu erkundigen, ob du auch da bist, und wenn du nicht da bist, kommt er auch nicht vorbei.«
    »Wenn du dich als Privatdetektiv oder als Psychologin selbständig machen willst, wirst du dir schon etwas Besseres einfallen lassen müssen!«, erwiderte Clara lachend.
    In dem Moment kam Kitty Reilly, voller religiöser Inbrunst, vorbei. »Meiner Ansicht nach wird hier in dieser Klinik viel zu viel gelacht«, erklärte sie tadelnd.
    »Aber wir lachen nie über unsere Arbeit, Kitty«, erwiderte Clara zu ihrer Entschuldigung.
    »In der Zeit, in der Sie und Hilary so frivol lachen, hätten Sie leicht zehn Gebete sprechen können – überlegen Sie nur,

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