Wege des Herzens
wie viel Gutes Sie damit bewirken könnten.«
»Ich weiß, Kitty, Sie haben wahrscheinlich recht, aber ein herzhaftes Lachen kommt doch gleich nach einem Gebet, finden Sie nicht?« Fiona hielt sich die Hand vor den Mund, um ihr Grinsen zu verbergen.
Als sie später nebeneinander in den Behandlungsräumen arbeiteten, erzählte sie zu Barbaras großer Belustigung diese Geschichte.
»Manchmal kommt man sich hier vor wie in einem Zirkus«, meinte Barbara. »Aber warum machst du jetzt plötzlich so ein besorgtes Gesicht?«
»Weil ich mir beim besten Willen nicht vorstellen kann, was Vonni in England zu tun hat. Außer David kennt sie dort niemanden. Ich wüsste wirklich gern, weswegen sie drüben ist.«
Stavros teilte sich eine Gefängniszelle mit Jacky McDonald aus Schottland. Jacky saß ebenfalls wegen eines Missverständnisses ein. Doch außer der himmelschreienden Ungerechtigkeit, unschuldig eingesperrt zu sein und niemanden zu haben, der willens gewesen wäre, die Kaution für sie zu stellen, hatten sie nicht viel gemeinsam. Als Stavros nun erfuhr, dass für ihn eventuell die fragliche Summe bereitlag und dass es die realistische Möglichkeit auf Freilassung gab, konnten sie beide es nicht fassen.
»Von wem kommt das Geld? Von deinem Vater?«, fragte Jacky voller Neid.
»Tja, muss wohl – aber woher er die Kohle hat, ist mir ein Rätsel. Vielleicht ist mein Großvater gestorben, dem haben einige Frisiersalons gehört. Vielleicht war da noch Geld zu holen.«
»Du weißt nicht, ob dein Großvater noch lebt oder schon tot ist?« Jacky konnte es nicht fassen.
»Nein – woher soll ich das denn wissen?«
»Was ist mit deiner Mutter?«
»O Gott, nein, sie ist ein hoffnungsloser Fall, eine Säuferin und wahrscheinlich schon längst verreckt. Und falls sie doch wieder trocken sein sollte, hilft sie mir bestimmt nicht.«
»Warum nicht?«
»Tja, ich habe mal – ist schon eine Weile her – einen reichlich sentimentalen Brief von ihr bekommen. Darin hat sie sich bei mir entschuldigt und mir vorgeheult, wie lieb sie mich hat. Mann-o-Mann!«
»Und was hast du ihr geantwortet?«
»Was ihr jeder geantwortet hätte – dass sie mich in Ruhe lassen und sich um ihren eigenen Kram kümmern soll. Nein, von ihr ist das Geld ganz bestimmt nicht.«
Man war sehr höflich zu Vonni, während sie alle möglichen Formalitäten über sich ergehen lassen musste. Sie glaubte sogar, so etwas wie Mitleid auf den reglosen Beamtengesichtern zu entdecken. Man machte es ihr einfach, und dafür war sie dankbar.
»Und werde ich ihn sehen können?«, fragte sie.
»Wir hatten Anweisungen, ihm nicht zu sagen, woher das Geld stammt. Ihr Anwalt in Griechenland hat vehement darauf bestanden«, erklärte ihr ein väterlich wirkender älterer Herr. Ein Mann wie er würde niemals verstehen, was sich in all diesen Jahren zwischen Vonni und ihrem Sohn abgespielt hatte.
»Ja, das stimmt«, sagte sie.
»Nachdem wir jetzt die legitime Herkunft des Geldes überprüft haben, wie es unsere Pflicht war, werden wir lediglich sagen, dass die Mittel für die Kaution aus Griechenland stammen.«
»Ja, ja, selbstverständlich«, erwiderte Vonni.
»Sobald Ihr Sohn auf freiem Fuß ist, wird er sich wahrscheinlich mit Ihnen in Verbindung setzen.«
»Nicht unbedingt. Wissen Sie, ich lebe normalerweise in Griechenland und dachte mir, wenn ich schon mal hier bin, dann kann ich ihn vielleicht auch sehen.«
»Wenn Sie vorher mit ihm reden und ihm mitteilen wollen, dass Sie es sind, die die Kaution stellt …«
»Nein – das wäre Erpressung. Das hieße, dass er mir dankbar sein muss und
gezwungen
ist, mich zu treffen.«
»Ja, aber – er wird Sie doch wohl sehen wollen, oder nicht? Seine eigene Mutter?«
»Ich war eine miserable Mutter«, erwiderte Vonni.
»Wir sind alle schlechte Eltern. Schließlich kann man das nicht lernen wie einen Beruf.«
»Ich bin sicher, dass Sie alles richtig gemacht haben.«
»Ach, wo denken Sie hin. Mein Sohn wollte immer Musiker werden, aber ich habe ihn gezwungen, eine seriöse Ausbildung zu machen. Damals dachte ich, ich würde richtig handeln. Dann hat er diese Frau kennengelernt, sie wurde schwanger, und die beiden haben geheiratet. Heute arbeitet er noch immer in dem Beruf, den er hasst, und das ist alles meine Schuld.«
Vonni sah den Mann überrascht an. Die Engländer galten allgemein als zurückhaltend, und jetzt erzählte ihr dieser Mann seine Lebensgeschichte. Er kannte Stavros, und vielleicht
Weitere Kostenlose Bücher