Wege des Herzens
wollte er sie vorbereiten und vor einer Enttäuschung bewahren.
Vonni war sehr gerührt.
»Ich werde Ihnen die Adresse und Telefonnummer der Frühstückspension, in der ich wohne, aufschreiben. Wenn mein Sohn danach fragt, dann geben Sie sie ihm.«
»
Falls
er danach fragt«, entgegnete der Beamte.
»Sie denken, dass er nicht fragen wird?«
»Man kann nie wissen.«
»Aber geben Sie ihm auf jeden Fall meine Adresse, wenn alles überstanden ist …«
»Gewiss doch«, erwiderte der Mann und legte den Zettel in den Ablagekorb auf seinem Schreibtisch.
»Du meinst, es ist alles schon unterschrieben und erledigt?« Jacky starrte Stavros ungläubig an.
»Ich weiß, ist das nicht fantastisch? Tut mit leid, dass es bei dir nicht geklappt hat«, sagte Stavros.
»Und wer steckt dahinter?«
»Ich habe nicht gefragt – du kennst doch den Spruch: Einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul.«
»Ja, aber es ist immerhin eine Menge Kohle.«
»Umso mehr Grund, die Klappe zu halten. Also, ich werde mich jetzt aus dem Staub machen.«
Jacky schaute seinen Zellengenossen verwirrt an. »Du willst untertauchen?«
»Ja, sicher. Wieso, was würdest du an meiner Stelle tun?«
»Aber du hast doch gesagt, es war ein Missverständnis?«
»Klar war es das, aber soll ich vielleicht die englische Rechtsprechung im Alleingang reformieren? Viel Glück, Jacky …« Und damit war Stavros fort.
Der Mann am Schreibtisch drückte ihm einen Zettel mit einer Adresse und einer Telefonnummer in die Hand.
»Von wem ist das?«, wollte Stavros wissen.
»Von einer Dame.«
Stavros schaute auf den Namen und die Nummer.
»Mann, wenn Sie sie damals gekannt hätten, würden Sie sie nicht eine Dame nennen …«
»Die Dame hat einen sehr guten Eindruck auf mich gemacht.« Missbilligend hatte der ältere Mann die Lippen zusammengepresst.
»Mag schon sein …« Stavros zerriss den Zettel und warf die Schnipsel in den Papierkorb.
In der Zwischenzeit war Vonni in ihre Pension zurückgekehrt und wartete.
Sie wartete lange.
Nach zwei Tagen rief ein Mann an und verlangte, sie zu sprechen. Sie wusste sofort, dass es nicht Stavros war, denn die freundliche Stimme gehörte dem älteren Herrn, mit dem sie im Gefängnis gesprochen hatte.
»Es geht mich zwar nichts an, aber ich finde, Sie sollten erfahren, dass Ihr Sohn Ihre Adresse nicht haben wollte.«
»Aber warum haben Sie ihm den Zettel nicht einfach in die Hand gedrückt?«
»Ich habe es ja versucht, aber es hat nicht geklappt.«
Vonni wusste, dass sie eigentlich nicht fragen sollte, aber sie musste es wissen.
»Was hat dabei nicht geklappt? Hat er den Zettel bei seiner Entlassung nicht mitgenommen?«
»Gewissermaßen.«
»Wie soll ich das verstehen?«
»Er hat den Zettel nicht mitgenommen, sondern zerrissen, Madam. Aber ich wollte nicht, dass Sie umsonst warten und Ihre Zeit verschwenden. Nach alldem, was Sie für Ihren Sohn getan haben …«
»Und hat er was gesagt? Er muss doch etwas gesagt haben? Sie können es mir ruhig erzählen …«
»Nein, Madam, nichts.«
»Danke. Mir ist jetzt trotzdem wohler ums Herz.«
Und dann packte Vonni ihre kleine Reisetasche und fuhr hinaus zum Flughafen. Simon hatte ihr erklärt, wie man ein billiges Stand-by-Flugticket buchte. Und nachdem sie jetzt wieder so mittellos war wie zuvor, würde sie in Zukunft auf solche Dinge achten müssen.
»Da Vonni schon mal in England war, könnte sie doch auch nach Irland zu unserer Hochzeit kommen, oder?«, meinte Declan.
»Natürlich«, erwiderte Fiona beiläufig. »Und wenn wir dazu kommen, die Hochzeit zu organisieren, werden wir sie bestimmt einladen.«
»Und zwar so bald wie möglich, hoffe ich«, entgegnete Declan.
»Aber einen solchen Schritt sollte man sich sorgfältig überlegen und nichts überstürzen«, feixte Fiona.
Manchmal machte es Declan doch ein wenig Sorge, dass Fiona nicht darauf drängte, einen Termin festzusetzen. Er hätte sie am liebsten gleich morgen geheiratet, aber er wollte sie nicht unter Druck setzen. Er würde warten, bis sie dazu bereit war. Sie hatten schließlich noch ihr ganzes Leben vor sich.
Und so bat Declan Muttie, den Freund seines Vaters, um die Adresse von Maud und Simon und schrieb ihnen einen Brief, dem er einen Fünfzig-Euro-Schein beilegte.
Falls Ihr etwas Nettes und für die Insel Typisches seht, das Ihr leicht transportieren könnt, dann bringt es bitte als Geschenk für Fiona mit nach Hause. Es soll eine Überraschung für sie werden,
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