Wege des Herzens
Geschichten von Leuten, von denen Molly noch nie etwas gehört hatte: von Vonni und Andreas, von Andreas’ Bruder Yorghis und dem Arzt der Insel, Dr.Leros, der mehrere Scherben aus Simons Fußsohle geholt hatte, als dieser zu temperamentvoll in einem Restaurant getanzt hatte. Und die ganze Zeit über, während sie redeten, deckten sie den Tisch mit Schüsseln voller Oliven, flachem Pitta-Brot, kleinen Tellern mit Hummus und Taramas und Tintenfisch, den Molly skeptisch beäugte.
Als Hauptgang hatten sie eine Art Fleischpastete gemacht, die sie Moussaka nannten und die mit merkwürdig aussehendem lila Gemüse gefüllt war. Auf der Anrichte stand ein griechischer Salat aus Tomaten, Gurken und Feta-Käse, daneben ein Dessert, das aussah wie mehrere Schichten Pergamentpapier mit Mandeln und Honig.
Molly seufzte. Was hätte sie nicht für einen guten Braten anbieten können – ein ordentliches, normales Gericht – statt dieser albernen kleinen Schüsseln. Paddy hätte ihr aus der Fleischereiabteilung, in der er arbeitete, das beste Lammcarrée oder Rinderfilet mitgebracht. Aber Muttie, der Onkel oder Großvater der Zwillinge – oder was immer er auch war –, hatte großen Einfluss auf ihren Paddy, und sie hatten sich dieses griechische Fest nun mal in den Kopf gesetzt.
Doch mit der Zeit gewöhnte Molly sich daran, Dinge geschehen und auch andere Leute machen zu lassen. Das war ihr nicht leichtgefallen. Jahrelang war sie allein für den Haushalt zuständig gewesen und hatte nebenbei noch in der Wäscherei gearbeitet. Jeden Morgen hatte sie ein Hemd für Paddy und eines für Declan gebügelt. Und abends war sie zu Hause gewesen und hatte sie, eine warme Mahlzeit auf dem Tisch, begrüßt.
Mittlerweile verbrachte Declan seine gesamte Freizeit mit Fiona. Sie war ein liebes Mädchen und total verrückt nach ihrem Sohn, dem sie sehr guttat. Seit er sie kannte, hatte er viel mehr Selbstvertrauen. Und Fiona konnte jeden zum Lachen bringen. Hin und wieder leistete sie Paddy und Muttie auf ein Bier im Pub Gesellschaft, und Molly hatte sie einmal in den Zoo begleitet, wo Fiona sofort mit jedem ins Gespräch gekommen war. Stundenlang hatte sie die exotischen Vögel beobachtet und einen großen Bogen um den Löwenkäfig gemacht.
Also, wenn Fiona dieses ölige Essen aus den winzigen Schüsseln schmeckte, warum nicht? Dann würde Molly es auch probieren. Zu dem Anlass hatte sie extra ihr neues kariertes Kleid angezogen und versuchte nun verzweifelt, den Überblick über die Leute zu bewahren, von denen die Zwillinge ihr erzählten.
»Adoni sagt natürlich, dass unsere Tomaten für einen echten
horiatiki
-Salat nicht geeignet sind …«
»Aber Vonni meint, dass irische Tomaten durchaus in Ordnung sind, wenn man sie mit ein bisschen Honig verfeinert …«
»Man muss beim Kochen eben ein bisschen Fantasie entwickeln …« Simon stutzte.
»Das weiß Molly doch. Sie kocht immerhin seit Jahren für Paddy und Declan«, fügte Maud taktvoll hinzu.
Molly lauschte dem allen geduldig, bis sie den Schlüssel im Schloss hörte. Declan und Fiona waren gekommen, unterwegs hatten sie Paddy im Pub abgeholt. Das griechische Fest konnte beginnen.
Die Zwillinge beschrieben mit blumigen Worten jedes einzelne Gericht, als hätten sie es persönlich erfunden. Begeistert hörten die Carrolls zu, als Maud und Simon ihnen vom Mesanihta-Café, dem Marktplatz und den vielen Menschen vorschwärmten, die jeden Abend zu Andreas in die Taverne kamen. Abends hatten sie dort und tagsüber in Vonnis Laden gearbeitet. Adoni hatte sogar eine Art Pendelbus eingerichtet, der stündlich vom Marktplatz hinauf zur Taverne fuhr.
»Oh, zu meiner Zeit hatten wir es nicht so bequem. Wir mussten noch zu Fuß dort hinaufgehen!«, sagte Fiona.
»Ist das eigentlich schon lange her, dass du dort warst?«, fragte Simon.
Fiona wartete höflich ab, dass Maud den Satz für ihren Bruder vervollständigte, aber Maud blickte gebannt auf das Tischtuch, was so gar nicht ihre Art war.
»Oje, tut mir leid, wir sollen ja nicht über deine Zeit auf der Insel reden.« Simon war dies zu spät eingefallen.
»Vonni hat uns nämlich erzählt, dass es dir damals nicht so gutging«, fügte Maud hinzu.
»Nein, damals ging es mir nicht gut, aber es war wirklich schön auf der Insel. Obwohl ich mich in der Zeit wegen eines Mannes ziemlich dumm verhalten habe, habe ich dort jede Menge gute Freunde kennengelernt, und es freut mich sehr, dass ihr die meisten davon jetzt auch
Weitere Kostenlose Bücher