Wege des Herzens
an ihr Lebensende versorgt.«
»Vielleicht wollen ihre Freunde ihnen einfach eine Freude machen«, meinte Ania.
»Ich sehe schon, du lebst in einer völlig anderen Welt«, erwiderte Carl. »Das ist doch alles nur ein Vorwand, um mit dem Haus anzugeben, mit dem Essen, der Aussicht, mit allem.«
»Aber die Leute werden doch ihren Spaß haben, nicht wahr?«
»Äh … ja … ich hoffe, dass es
dir
gefallen wird …«
»Bin ich denn eingeladen?« Anias Augen strahlten vor Freude.
»Natürlich. Du bist doch eine gute Freundin von mir.«
»Bekomme ich auch eine schriftliche Einladung wie die anderen Gäste?«
»Ja, wenn du eine haben möchtest, Ania, aber ich bin immer davon ausgegangen, dass du kommen wirst. Ohne dich halte ich den Abend nicht durch.«
»Danke dir, Carl, ich hatte schon Angst, na ja, du weißt schon … Ich habe nicht damit gerechnet …«
»Überleg dir mal, wie einsam ich mich fühlen würde, wenn ich dich nicht zum Reden hätte.«
»Aber du wirst dich mit den Freunden deiner Eltern unterhalten müssen, die Getränke reichen, die Konversation machen.«
»Nur Konversation machen, nicht
die
Konversation …« Carl verbesserte sie stets taktvoll, und Ania bemühte sich, sich alles zu merken.
»Es wird bestimmt sehr schön«, sagte sie glücklich. »Ich werde mich anstrengen und gute Konversation machen, und gut anziehen werde ich mich auch, um dich nicht zu blamieren.«
»Du könntest mich doch
nie
blamieren«, entgegnete Carl und betrachtete sie lange über den Rand seines Tomatensandwiches hinweg, ehe er sich von ihrem Anblick losriss und das Grammatikbuch herauszog, um dort weiterzumachen, wo sie das letzte Mal aufgehört hatten.
Die Tage vergingen wie im Flug. Ania nahm noch einen zusätzlichen Aushilfsjob an, da sie Geld für das Cocktailkleid brauchte. Sie wollte nicht einen Cent von dem Ersparten verschwenden, das sie für ihre Mamusia auf die Seite gelegt hatte.
Während sie im Restaurant die Tische abräumte und die Gläser einsammelte, hörte sie durch Zufall, wie ein Chinese einem jungen Mann anbot, in einem großen Apartmentblock für vier Stunden die Woche Blumenkästen zu säubern und neu zu bepflanzen. Doch die Arbeitszeiten passten dem jungen Mann nicht, und so bewarb Ania sich um den Job. Sie staunte nicht schlecht über den Luxus, als die das erste Mal die Wohnungen mit Seeblick betrat, die sich nicht weit entfernt vom Haus der Familie Walsh befanden. Ania kam jedes Mal an deren Villa vorbei, wenn sie zu den von Bäumen gesäumten Straßen an der Küste hinausfuhr.
Die Arbeit war körperlich anstrengend, aber nicht übel, doch da Ania nicht mit rauhen, rissigen Händen, mit Erde und Schmutz unter den Fingernägeln zu der großen Party erscheinen wollte, schützte sie ihre Hände mit Vaseline und trug darüber billige Baumwollhandschuhe. Auch wenn der Chinese, Mr.Chen, nur wenig redete, lernte Ania viel von ihm. Sie begriff schnell, wie man die Erde lockerte, die Blumen wässerte und die vernachlässigten und abgestorbenen Pflanzen ersetzte. Außerdem hatte sie immer einen Eimer mit weißer Farbe dabei für die Blumenkästen, die an manchen Stellen einen neuen Anstrich gut gebrauchen konnten.
Ania kam aus dem Staunen nicht heraus, wie geschmackvoll die Wohnungen möbliert waren – mit eleganten Sesseln und gepolsterten Bänken in den Erkern, wo man sitzen und auf das Meer hinausschauen konnte. Das war eine vollkommen andere Welt als die, in der sie lebte. Wenn sie morgens aufwachte, sah sie durch das kleine Fenster nichts als Hausdächer. Es gab auch keine Blumenkästen und keine breiten Marmortreppen mit großen Kübeln voller Farne auf den Treppenabsätzen. Doch Ania verspürte nicht den geringsten Neid. Alle diese Menschen – oder zumindest ihre Eltern – mussten hart gearbeitet haben, um solchen Reichtum zu erwerben. Dieser Weg stand schließlich jedem offen, der zwei Hände hatte und arbeiten konnte.
Auf der Suche nach einem passenden Kleid für die Party nahmen Barbara und Fiona sie mit in ihre bevorzugten Secondhandshops.
Sachkundig bewegten sie sich zwischen den Kleiderständern und zogen mal das eine, mal das andere Kleid heraus. Aber Ania schüttelte stets den Kopf. Die Kleider waren entweder zu kurz, zu eng, zu freizügig, zu ähnlich dem, was Marek im Café an der Brücke von ihr zu tragen verlangt hatte, um darin die Kunden zum Tanzen anzulocken. Ania schüttelte einfach den Kopf.
»Gott, wenn ich deine Figur hätte, würde ich das hier
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