Wege des Herzens
oder?«
»Gewissermaßen«, musste Simon zugeben.
Anias Mutter hatte sich wunderbar benommen. Immer wieder betonte sie, wie schön es sei, ihre Tochter wieder zu Hause zu haben. Was für eine reizende Überraschung, als sie vorhin durch die Tür gekommen war.
Doch sie setzte sie nicht unter Druck, zu bleiben. Ihre Mutter war eine mutigere Frau, als Ania sie in Erinnerung hatte. Hier hatte sich nicht viel verändert, während Anias gesamtes Leben auf den Kopf gestellt war.
Mamusia stellte Ania viele Fragen über Irland. Ob es diesem netten jungen Mann namens Carl gutgehe, der ihr Englisch beigebracht habe, wollte sie wissen. Ja, es ging ihm gut. Und ob es auf der Party zum vierzigsten Hochzeitstag seiner Eltern schön gewesen sei? Ja, doch, im Großen und Ganzen war es recht schön gewesen.
Schließlich setzte Ania sich zu ihrer Mutter und holte das Geld heraus, für das sie so hart gearbeitet hatte. Damit könnte ihre Mamusia das Haus renovieren und in eine richtige Schneiderei umwandeln lassen. Ein Schwager von Ania würde die Bauarbeiten übernehmen, und sie könnten sofort damit anfangen.
Draußen wurde es dunkel. Anias Mutter zog die Vorhänge zu und schaltete das Licht ein. Ania saß da und fragte sich, weshalb sie überhaupt von hier weggegangen war. War dieses geschäftige Leben in Dublin nichts weiter als ein Traum? Sie war müde. Sie hatte kaum geschlafen, seit sie aus Carls Haus weggelaufen war. Die ganze Nacht über war sie wach gewesen und hatte auf den ersten Flug nach London und dann auf den Anschlussflieger nach Polen gewartet.
Anias Mutter sah, wie ihre Tochter auf der Couch einnickte, und breitete eine Decke über ihre Knie. Ania schlief ein und träumte, dass Carl ihr einen großen Blumenstrauß mit einer Karte geschickt hatte, auf der stand: »Ich liebe dich, Ania. Komm zurück zu mir.«
Als sie gegen vier Uhr morgens abrupt erwachte, war sie sehr traurig, dass alles nur ein Traum gewesen war. Sie ging, Tränen in den Augen, zu Bett.
»Wie sicher bist du dir gewesen, als du damals Dad geheiratet hast?«, fragte Linda ihre Mutter.
»Zu sicher, wie es sich herausgestellt hat«, erwiderte Clara.
»Nein, ich meine, wie hat es sich für dich angefühlt, als du beschlossen hast, dein Schicksal mit dem seinen zu verknüpfen?«
»So haben wir das damals nicht gesehen, Linda.«
»Ich will doch nur deine ehrliche Meinung hören.«
»Okay. Also, die Wahrheit ist die, dass ich wahnsinnig in deinen Vater verliebt war. Als er mich gebeten hat, ihn zu heiraten, habe ich nur daran gedacht, von meiner Mutter wegzukommen, die, wie du dich vielleicht erinnern wirst, ziemlich schwierig ist. Ich habe damals nicht geglaubt, dass man sagen kann: ›Ich liebe dich‹, und es nicht so meint. Ich war sofort Feuer und Flamme. Und, wolltest du das hören?«
»Nicht ganz. Nick und ich überlegen, uns zusammen eine Wohnung zu nehmen. Aber wir sind unsicher. Schließlich haben wir beide zwei Mütter, die vollkommen okay sind, und müssen nicht ausziehen. Ich fände es übrigens schön, wenn du Hilary sympathischer finden würdest.«
»Aber ich mag sie doch«, sagte Clara.
»Ja, aber auf eine etwas herablassende Art. Also, jetzt fragen wir uns, ob wir tatsächlich zusammenziehen sollen. Vielleicht fördert eine gemeinsame Wohnung die Schwachstellen in unserer Beziehung erst recht zutage.«
»Wie klug von euch beiden«, meinte Clara.
»Irgendwie hörst du dich gereizt an, Clara.«
»Ich bin nicht gereizt. Ich habe wieder einmal einen absolut erfreulichen Arbeitstag hinter mir. Ania ist nach Polen davongelaufen, weil die Mutter ihres Freundes gedacht hat, sie kommt als Küchenhilfe zu ihrer Party. Frank Ennis hat mir zum x-ten Mal das Leben zur Hölle gemacht. Dann ist auch noch diese durchgeknallte Tochter von Peter Barry auf der Suche nach einem Aushilfsjob bei mir aufgetaucht, und ich habe sie eingestellt. Fiona und Declan haben beschlossen, ihre Hochzeit in einem Einwandererzentrum unten an der Liffey zu feiern. Und ich habe fälschlicherweise angenommen, dass ich zu einem gemütlichen Teller Suppe nach Hause komme und mich entspannen kann, und was finde ich? Dich, gestiefelt und gespornt und versessen darauf, mit mir den Sinn des Lebens zu diskutieren. Ich bin nicht gereizt! Wo denkst du hin?«
»Eigentlich bist du gar nicht so übel, Clara«, erwiderte Linda beschwichtigend.
Ein hohes Lob aus dem Mund ihrer Tochter.
Fiona fuhr mit Barbara in das Gemeindezentrum von Father Flynn, um sich den
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