Wege des Herzens
weitergab, ohne viel Aufhebens darum zu machen. Bei ihren gemeinsamen Fallbesprechungen stellte sie ihm zahlreiche Fragen und beantwortete ihm ebenso viele. Declan lernte auch seine Kollegen besser kennen, und da er sich während ihres Krankenhausaufenthalts um Judy Murphys Hunde gekümmert hatte, genoss er bei den Patienten einen schon fast legendären Ruf. Judy hatte ihm als Dank dafür einen wunderschönen Futternapf für seinen großen, tapsigen Labrador mitgebracht: DIMPLES stand in Großbuchstaben an der Seite. Declans Mutter fiel nichts Besseres ein, als ihn darauf hinzuweisen, dass diese Judy doch
viel
zu alt für ihn sei und dass er sich keine Hoffnungen auf eine Frau machen solle, die seine Mutter hätte sein können. Paddy verdrehte nur die Augen und bat seinen Sohn, nicht weiter auf das Thema einzugehen.
»Ich werde mir merken, was du gesagt hast, Mam. Wie immer«, erwiderte Declan.
In der Klinik hatte sich Declan auch mit Hilary angefreundet. Sie hatte ihn einmal gebeten, sie in der Mittagspause zu vertreten, da sie dringend nach Hause müsse. Die Nachbarn hatten angerufen und ihr gesagt, dass ihre Mutter im Nachthemd draußen im Garten herumlief. Wie alle anderen hatte Declan daraufhin angedeutet, dass Hilarys Mutter in einem Pflegeheim möglicherweise besser aufgehoben wäre, und wie bei allen anderen wurde auch sein Vorschlag sanft, aber entschlossen zurückgewiesen. Kein Mensch könne jemals ermessen, was diese Frau für sie getan habe. Nur um ein leichteres Leben zu haben, würde Hilary sie an ihrem Lebensabend auf keinen Fall in ein Heim abschieben.
»Dann werden Sie über kurz oder lang zu arbeiten aufhören müssen, Hilary«, sagte Declan mit ruhiger Stimme.
»Nein, nein. Mein Sohn Nick ist mir eine große Hilfe. Er ist viel zu Hause. Er ist Komponist, wissen Sie, und er hat immer ein Auge auf seine Großmutter.«
Wenn die alte Dame im Nachthemd im Garten herumwanderte, konnte er seine Aufpasserrolle nicht sehr ernst nehmen, dachte Declan. Aber freundlich und entgegenkommend, wie er nun mal war, willigte er ein, sich während der Mittagspause an Hilarys Schreibtisch zu setzen und den Telefondienst zu übernehmen.
Da Fiona an diesem Abend bei einem Junggesellinnenabschied war, aß Declan zu Hause bei seinen Eltern. Seine Mutter konnte es sich nicht verkneifen, Überraschung zu heucheln, dass er sie mit seiner Anwesenheit beehrte. Geduldig hörte Declan sich Mollys Genörgel an, wie glücklich sie sich doch schätzen dürfe, dass ihr Heim heute Abend ausnahmsweise mal wieder gut genug für ihn sei, ehe sie ihm eine heiße Fleischpastete mit einem sorgfältig mit der Gabel eingeritzten Rand aus Blätterteig servierte.
»Na, bringt deine kleine Freundin auch solche Pasteten auf den Tisch?«, fragte sie.
»Du weißt genau, dass sie das nicht kann, Mam.«
»Wann werden wir sie denn mal kennenlernen?« Auf diese Gelegenheit hatte Declan nur gewartet.
»Ich würde sie gern recht bald mal zum Essen einladen, Mam. Vielleicht könntest du dann wieder so eine leckere Pastete machen.«
»Auf keinen Fall. Wenn wir schon Gäste haben, dann gibt’s einen anständigen Braten«, erwiderte Molly.
»Dann lass uns doch gleich einen Abend festlegen, ja?«, bat Declan.
»Sobald dein Vater dieses Zimmer gestrichen hat«, sagte Molly.
»Das ist aber ein Zufall. Ich habe mir nämlich gerade überlegt, an diesem Wochenende damit anzufangen«, erklärte Paddy Carroll.
Sie brauchten zwei Tage, um das Zimmer leer zu räumen, und drei Stunden, um die Farbe für die Wände auszusuchen. Paddy favorisierte Magnolienweiß, Molly war eher für Limonengrün zu begeistern, und Declan sagte, dass ihm am besten ein zartes Pfirsichgelb namens Indian Summer gefallen würde.
Schließlich einigte man sich auch auf einen Tag für die Essenseinladung, und dann lud Declan Fiona ein.
»Natürlich komme ich«, sagte sie, als sei es das Normalste von der Welt. »Sehr gern sogar, Declan. Danke, und richte auch deiner Mutter meinen Dank aus.«
»Sie wird sich sehr freuen«, antwortete er, allerdings wenig überzeugt.
»Und, bin ich besser als deine Ex?«
»Ich habe keine Ex. Zumindest keine, die ich mit nach Hause gebracht hätte«, sagte er verlegen.
»Ich bin sicher, dass du jede Menge Verflossene hast«, meinte Fiona munter. »Aber was soll ich deiner Mutter denn mitbringen? Meiner Ma hat die Orchidee übrigens sehr gefallen.«
»Vielleicht eine Schachtel mit Keksen«, erwiderte Declan nach längerem Überlegen. Es
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