Wege des Herzens
nach ihr aus dem Bus, schlug aber die entgegengesetzte Richtung ein. Im Gehen nahm sie den schwarzen Hut ab und schlang sich einen roten Schal um den Kopf, in der Hoffnung, nun vollkommen anders auszusehen. Erst dann machte sie kehrt und folgte Eileen. Das Viertel sah immer ärmlicher aus. Fünf Minuten später bog Eileen in die Mountainview Road ein und blieb vor einem besonders armseligen Haus stehen. Wieder warf sie einen prüfenden Blick die Straße auf und ab, ehe sie die Haustür aufsperrte.
Lidia machte mit Johnnys Handy, das sie sich zu diesem Zweck ausgeliehen hatte, einen Schnappschuss von dem Haus, nahm den Bus zurück zu dem Apartmentblock und fotografierte zu guter Letzt noch den Mann in der Portiersloge neben dem Gebäude. Müde kehrte sie daraufhin in die Wohnung zurück, die sie sich mit Ania über dem polnischen Restaurant teilte. Ania lag im Bett und studierte das Englischbuch, das Carl ihr gegeben hatte.
»Früher schienen die Leute hier in Irland sehr religiös gewesen zu sein«, erzählte sie.
»Tja, heutzutage nicht mehr«, erwiderte Lidia, schlüpfte aus den Schuhen und rieb sich die Füße.
»Hast du was herausgefunden?«
»Ja. Eileen lügt wie gedruckt. Nichts von dem, was sie den anderen erzählt hat, stimmt.« Lidia zeigte ihrer Freundin die Fotos.
»Wir müssen sofort Father Brian anrufen.« Ania war völlig aus dem Häuschen vor Aufregung.
»Aber es ist schon spät, besser nicht.«
»Der arme Mann, er schläft bestimmt noch nicht. Er wird sich freuen, wenn er erfährt, dass wir Beweise gegen sie haben.«
»Mal langsam, Ania, wofür haben wir denn Beweise? Dafür, dass sie ein Haus in einem ärmeren Viertel betreten hat? Das ist noch lange kein Verbrechen.«
»Es ist immerhin ein Beweis dafür, dass sie lügt«, entgegnete Ania freudestrahlend, während sie Brians Nummer wählte.
Dessen Reaktion war nicht so euphorisch wie erwartet.
»Ja, freuen Sie sich denn gar nicht, Father Brian? Jetzt
wissen
wir wenigstens, dass sie eine Lügnerin ist.«
»Ach, das habe ich schon die ganze Zeit über gewusst«, erwiderte er niedergeschlagen.
Um noch mehr über Eileen herauszufinden, organisierten die Freunde aus dem Komitee zur Rettung von Brians gutem Ruf weitere Beschatter für sie. Johnny hatte auch Tim, den Wachmann, um Hilfe gebeten, der ihm zusicherte, dass er Erkundigungen über den Portier einziehen würde; vielleicht wusste einer seiner Kollegen etwas über ihn. Außerdem versprach er, Eileen bei einer ihrer Shoppingtouren zu beschatten. Tim, ein unauffälliger, ruhiger Mensch, ein Einzelgänger, der an lange Stunden harter Arbeit gewöhnt war, war froh, dem Priester einen Gefallen tun zu können.
Tim sprach außerdem ein paar Kollegen, die bei anderen Sicherheitsfirmen als Kaufhausdetektive arbeiteten, auf den Fall an. Er musste ihnen das Foto gar nicht erst zeigen, denn sie alle kannten die blonde Eileen, die in allen Innenstadtgeschäften und in allen Einkaufszentren Hausverbot hatte. Goldlöckchen Eileen war eine stadtbekannte Ladendiebin, die bisher vor Gericht mehrmals mit der Behauptung davongekommen war, dass sie die Ware nur zur Begutachtung bei Tageslicht mit nach draußen genommen habe. Dabei war sie offensichtlich so überzeugend aufgetreten, dass sie sogar Richter und abgebrühte Anwälte hinters Licht geführt hatte.
Der Job von Tims Kollegen bestand nun darin, sie
nicht
mehr in die Kaufhäuser hineinzulassen. Eileen hatte nur ein mitleidiges Lächeln für sie übrig gehabt, als machte sie sich über ihre Arbeit lustig. Die Detektive erzählten Tim auch, dass die junge Frau aus schwierigen Familienverhältnissen stamme und ein ziemliches Früchtchen sei. Von ihrem Vater wusste man, dass er gewalttätig war. Diese letzte Information behielt Tim jedoch zunächst für sich.
Father Brian Flynn war ein anständiger Kerl, der für andere immer eine Entschuldigung parat hatte. Wenn er erfuhr, dass Eileens Vater sie geschlagen hatte, konnte es passieren, dass er die Anzeige wieder zurückzog und das Komitee zurückpfiff. Tims Meinung nach sollte man das blonde Gift Eileen einsperren. Und zwar je eher, desto besser.
Als Nächster war James O’Connor an der Reihe. Er sollte Eileen zufällig über den Weg laufen, sie darauf ansprechen, dass sie sich im Corrigans kennengelernt hätten, und sie auf einen Drink einladen. Dabei sollte er sie unauffällig aushorchen und seine Informationen am Abend dem Komitee mitteilen. Je mehr sie über sie wussten, desto mehr konnten
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